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Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Titel: Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick McGuinness
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und Zeigefinger. Vor ihm auf dem Tisch lag das aufgeschlagene Literaturmagazin Luceafarul , nach dem Helden aus Eminescus Nationalepos benannt, einem gefallenen Engel, der sich in den Abendstern verwandelte: Luzifer. Auf der ersten Seite war eine Ode abgedruckt, eine »neue Hommage an das Paar des Lichts«, verfasst von einem Mitglied des Schriftstellerverbandes, einem Dichter, der Leo bekannt war.
    »Ich kenne Palinescu seit Jahren – er sollte sich besser selbst verarschen! Hört euch das an: Das Licht, das unsere Ära erhellt, hat eine Quelle! Zwei Sonnen, die wie eine strahlen! Herr im Himmel, ich kann nur hoffen, dass man ihn gut dafür bezahlt hat …«
    »Palinescu ist eine Niete. Er würde seine Oma verkaufen, um an Benzingutscheine zu kommen«, unterbrach Ioana ihn.
    »Zwillingsleuchttürme, in deren Licht das Schiff des Staates voller Vertrauen – müsste das nicht heißen: voller Grauen ? – durch gefährliche Gewässer steuert …«, fuhr Leo fort. »Es ist natürlich dein Land, Ioana, mein Schatz, aber du weißt sicher, dass man die Menschheit nicht in Nieten und Helden aufteilen kann. Das wäre Unsinn. Beide Arten von Mensch sind so selten, dass sie kaum ins Gewicht fallen …«
    »Aber es stimmt. Palinescu ist menschlicher Ölschlamm – Leute wie er breiten sich immer weiter aus und ersticken alle anderen.«
    »Dies ist nur harmloser Quatsch, Ioana – und das weiß jeder: er selbst, seine Bosse und die Zeitschrift. Die einzigen, die auf diesen Kitsch reinfallen, sind Nic und Elena. Sie prüfen nach, ob die von ihm genannte Zahl von Traktoren stimmt und ob er hier und da einen Römer erwähnt hat, und danach vergessen sie die Ode. Wie wir alle. Die meisten Menschen wollen einfach nur klarkommen und ungeschoren den Tag überstehen. Sie haben kein Interesse daran, alles, was sie tun und sagen, auf die moralische Waagschale zu legen. Das ist ja auch in Ordnung, und …«
    »Es geht um die Lügen«, erwiderte Ioana eher mutlos als zornig. »Um die vielen Lügen. Sie nagen an einem, bis man an nichts mehr glaubt, nichts mehr fühlt. Die Sache ist doch die: Wenn alle diese Lügen glauben würden, wären alle Idioten, aber sie würden immerhin glauben. Ihr Vertrauen wäre noch intakt und weiter aktiv. Aber so, wie es ist, verkümmert es zu Zynismus und Ironie.« Sie zeigte auf uns, auf die Scînteia , den Fernseher und dann auf sich selbst. »Stattdessen lauschen wir leeren Worten, nehmen nichts mehr in uns auf, bilden uns ein, wir könnten alles mit einem Lachen abtun. Die Lügen lassen alles zerbröseln … sie lassen uns innerlich zerbröseln.«
    »Alles falsch!« Leo war plötzlich ernst, eine Stimmung, die er gar nicht schätzte. »Gerade weil es Lügen sind und weil wir das wissen, prallen sie an uns ab. Wenn man in diesem Maßstab belogen wird, merkt man das.«
    Ioana beendete die Diskussion mit einem Wink und starrte auf den Fußboden. Für Leo bestand das schlimmste soziale Verbrechen darin, ein Gespräch in ernsthafte Bahnen zu lenken. Er hielt das für einen Hinterhalt. Leo konnte wütend, selbstgerecht und leidenschaftlich sein, aber Ernsthaftigkeit ertrug er nicht. Er zog es vor, die Dinge entweder zu übertreiben oder herunterzuspielen; wenn sie ihm in ihrer wahren Größe vor Augen geführt wurden, verstörte ihn das.
    Ioana war eine junge Frau, die vieles missbilligte: von den privaten Details ihres Lebens (in erster Linie Leo) bis zum Zustand ihres Landes. Schwer zu sagen, was am einfachsten zu beheben war. Leo saß da, paffte Rauch in den Himmel, tappte im Takt der Musik mit den Füßen, als wollte er sich aus der Gegenwart schleichen. Sein Gesicht wirkte durch die Alkoholröte noch verbrannter als sonst. Die beiden waren ein wundersames Paar: Ioana groß und schlank und mit scharf geschnittenen, ihrer forschen Art entsprechenden Zügen; Leo klein und mit Kindergesicht, manisch und träge zugleich. Die Beziehung mit Ioana sollte seine Entschlossenheit unterstreichen, in Rumänien zu bleiben; sie dagegen war mit ihm zusammen, um zu demonstrieren, dass sie Rumänien unbedingt verlassen wollte.
    Jemand klingelte an der Tür. Ich erwartete niemanden, aber als ich öffnete, erblickte ich Cilea, die eine Burberry-Tasche über der Schulter trug. Sie küsste mich auf den Mund und rauschte an mir vorbei in die Wohnung.
    Ich stellte sie Leo und Ioana vor, überflüssigerweise. Diese Leute kannten einander, taten um meinetwillen aber so, als würden sie sich zum ersten Mal begegnen. Ioanas vage

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