Die Abtrünnigen von Kregen
unerfüllten Sehnsüchten bestimmt gewesen. Sie hatte meinen alten Voskschädel als lächerlich bezeichnet und hatte mit der Reitpeitsche nach mir geschlagen, doch ich hatte mich noch rechtzeitig ducken können.
Prinzessin Shusheeng. O ja, ich kannte sie.
Würde sie mich ihrerseits erkennen?
Wie entsetzt war sie gewesen, als sie erfuhr, daß ich Krozair von Zy war, Lord von Strombor!
Ich stand starr vor den Thronsitzen und wagte es schließlich doch, den Blick zum Glanz des Königs zu erheben.
Er war ein stattlicher Mann, dieser König Genod. Auf den ersten Blick bemerkte ich das Feuer in ihm, die ungezügelte Energie, das Lodern des Genies, das andere Menschen führen und inspirieren konnte. Zugleich sah ich in den tiefliegenden schwarzen Augen die Grausamkeit eines Leems. In der scharfen Nase, dem arrogant geschnittenen Gesicht, in den dünnen Lippen sah ich Symbole, die, sosehr man es auch bestreiten will, einen Mann kennzeichneten, der sich selbst und seine Ziele stets an allererster Stelle sieht. Stirnrunzelnd blickte er auf uns herab, und der bunte Glanz seiner Kleidung und seiner Edelsteine verblaßte neben der düsteren Macht dieses Gesichts.
»Lahal, Gafard.«
»Lahal, Majister.«
Mehr sagten die beiden nicht zueinander; trotzdem glaubte ich plötzlich ein wenig mehr von der Bindung zwischen ihnen zu verstehen. Herr und Bediensteter, Gehirn und Werkzeug, so ergänzten sie sich. Diese beiden waren in der Lage, das Binnenmeer zu unterwerfen!
Prinzessin Shusheeng, die einmal flehend vor mir auf den Knien gelegen hatte, nackt bis auf den grauen Sklavenschurz, rührte sich nicht. Ich warf ihr einen kurzen Blick zu und bemerkte keine äußere Veränderung in ihrem Gesichtsausdruck. Es war lange her; außerdem galt der berüchtigte Krozair, der Lord von Strombor, als tot. Und vielleicht hatte ich mich in all den Jahren auch etwas verändert. Außerdem stand ich im Schatten Gafards, der mir das Licht von den hohen Fenstern versperrte.
Gafard hatte mich darauf vorbereitet, daß diese Audienz zugleich die öffentliche Aufnahme in die Gemeinschaft der Grünen bedeuten würde. Nach dieser Zeremonie würde ich ein Grodnim sein. Später würde der König mich unter vier Augen empfangen zu einem Gespräch, das mir mehr Aufschluß geben mochte über die Dinge, die von mir erwartet wurden.
Ich machte mir klar, daß Prinzessin Shusheeng einen Großteil ihres Ehrgeizes hatte befriedigen können. Sie und ihr teuflischer Bruder, Prinz Glycas, hatten in Magdag vorankommen wollen. Inzwischen war Genod Gannius auf der Szene erschienen, hatte seine Armeen im Triumph nach Magdag geführt und herrschte nun hier in der Stadt der Megalithen. Und er hatte Shusheeng zu seiner Gefährtin gemacht. Wenn Glycas nicht tot war, mußte er irgendwo in der Stadt sein; der Gedanke gefiel mir ganz und gar nicht.
Die Kammerherren lösten mir den Genodder vom Schultergurt und trugen die Waffe zu einem Chuktar, einem prachtvoll gerüsteten Chulik. Nach etlichem Hin und Her sollte der Genodder durch die Priester gesegnet werden, die in grünen Roben bereitstanden. Dann würde der König die Klinge küssen, die mir anschließend zurückgegeben wurde. Zum Schluß mußte ich die Waffe ebenfalls küssen und bekam sie wieder umgehängt. Damit war die Aufnahme vollzogen.
So stand ich denn und wartete auf die nächste Etappe dieser Charade.
Niemand rührte sich.
Mein Blick fiel auf den König. Er hatte die rechte Hand halb erhoben, er wollte das Zeichen zum Anfangen geben. Doch die Hand bewegte sich nicht, zitterte nicht einmal. Der alte Gelehrte hatte den Mund halb geöffnet. Shusheengs Hand lag über einer goldenen Brosche auf ihrer Brust.
Kein Ton war aus der Masse der Höflinge im hellen Audienzgemach zu vernehmen, kein Mensch rührte sich. Ich drehte mich zu der hohen Doppeltür um. Was geschah dort?
Im nächsten Augenblick erschien Zena Iztar in der offenen Doppeltür und ging an den versteinerten Gestalten vorbei auf mich zu. Wie immer war sie eine sehr eindrucksvolle Erscheinung. Sie trug ihre rotgoldenen Roben mit einem schmalen grünen Leibtuch, und die Edelsteine an ihrem Gewand brachten es fertig, König Genods Audienzsaal billig erscheinen zu lassen.
Sie blieb ein Stück vor mir stehen und schüttelte den Kopf. »Dray Prescot! Ich möchte wissen, was du hier tust!«
»Das liegt doch auf der Hand!«
»Für mich nicht – ebensowenig für die Herren der Sterne oder die Savanti.«
»Dann sind sie – und du – nicht gerade
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