Die Abtrünnigen von Kregen
verkürzte. Immer wieder schlug ich die arme Sectrix. Ein spitzer Schrei des Mädchens, der erste seit ihrem anfänglichen Erschrecken, zeigte mir den Zusammenbruch ihrer Sectrix an. In einem Gewirr aus sechs Beinen ging das Tier zu Boden, Staub wirbelte auf, das Mädchen flog durch die Luft und prallte gegen einige Felsen. Ich fluchte, richtete mich in den Steigbügeln auf und schwang das Langschwert über dem Kopf. Ich konnte vermutlich nur einmal zuschlagen. So galoppierten wir auf den Lairgodont zu, der nur noch ein halbes Dutzend Schritte von der reglosen Gestalt des Mädchens entfernt war. Dann befanden wir uns Seite an Seite, und im nächsten Moment senkte ich das Langschwert mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte.
Ich hatte mir das Ziel klug ausgesucht, unmittelbar hinter dem Kopf am beweglichen Hals.
Der schrille Schrei des Lairgodont ließ die Berge erzittern.
Mit kraftvoller Bewegung zog ich die Waffe zurück, bereit, von neuem zuzuschlagen. Dann erkannte ich, daß das nicht mehr nötig war.
Das Ungeheuer brach im Laufen zur Seite aus, sank in sich zusammen, überschlug sich mit schlaff pendelndem Kopf und zog eine lange Schleifspur in den Staub, bis es mit ausgebreiteten Beinen tot zum Stillstand kam.
Ich zügelte die Sectrix, sprang aus dem Sattel, behielt die Zügel in der Hand, rammte mein blutiges Langschwert in den Boden und kniete neben dem Mädchen nieder.
Im Vorbeirutschen hatte der Risslaca das Mädchen mit Blut bespritzt und ihr den purpurnen Schleier vom Gesicht gerissen.
So sah ich die Schönheit ihrer Gestalt unter dem grünen Reitgewand. Ich sah auch die Schönheit ihres Gesichts, eine makellose Schönheit, eine Vollkommenheit der Züge, wie sie selten zu sehen ist – aber ich durfte nicht schwärmen. Sie öffnete die Augen, während ich sie noch anstarrte, und versuchte zu lächeln.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die weichen, süßen, vollkommenen Lippen.
»Das Ungeheuer ...«
»Der Lairgodont ist tot. Du hast nichts mehr zu befürchten.«
»Du hast also ...« Und sie richtete sich auf, wandte den Kopf und erblickte den Lairgodont. Ihr Haar war tiefschwarz, frisiert nach der Mode des Binnenmeeres. Ein Schatten ging über ihr Gesicht, und eine kleine, feste weiße Hand legte sich um meinen Arm.
»Mein Lord Gafard? Er ist ... er ist ...?«
»Ihm ist nichts geschehen«, sagte ich. Ich fühlte mich ungewöhnlich zu dem Mädchen hingezogen.
Sie bedachte mich mit einem langen, zerstreuten Blick. »Ja. Ja – ich habe dich im Lager gesehen. Ich glaube, ich kann dir vertrauen. Du bist Gadak, von dem er mir erzählt hat?«
»Ich heiße Gadak.«
»Und du bist ... wie er ...?«
»Jawohl, meine Dame. Wir sind beide Abtrünnige. Aber darauf kommt es jetzt nicht an – du bist gerettet.«
Ich hob sie hoch und spürte sie fest und warm in meinen Armen. So trug ich sie zu meiner Sectrix. Sie war von hoher Geburt, das ahnte ich. Um so schlimmer für sie, wenn sie Gafard wirklich liebte. Ich kannte ihre Vergangenheit nicht, doch wenn sie eine geborene Grodnim war, dann mochte die Liebe zu einem Renegaten sie in den Augen ihrer Familie herabsetzen. War sie dagegen Zairerin und gefangen und vielleicht versklavt worden, mußte es noch viel schmerzlicher für sie sein, Reichtum und Ansehen und Liebe von einem Mann zu empfangen, der sich von Zair abgewendet hatte.
Ich schob das blutige Langschwert durch eine Schlinge am Sattel und ließ es herabhängen. Ohne es zu säubern, wollte ich es nicht in die Scheide zurückstecken, und wenn es der Sectrix beim Trab ein wenig gegen die Flanke schlug, um so besser. Das Tier hatte sich jedenfalls gut gehalten; vielleicht mußte ich meine Meinung über Sectrixes noch revidieren. Das Tier hieß Blaue Wolke und war ein teures Geschenk Gafards.
Mit dem Mädchen im Arm stieg ich in den Sattel, ein Trick, den ich aus der Zeit meines Zusammenseins mit Delia kannte. Ich drückte das Mädchen an meine Brust und stützte sie, und sie legte mir die schlanken Arme um den Nacken. So ritten wir zu Gafard zurück.
Unterwegs sprachen wir nur wenig – über unwichtige Dinge, denn sie war eine große Dame, die noch unter dem Schock des Ereignisses litt. Während wir durch den Staub ritten und das tote Ungeheuer hinter uns zurückließen, dachte ich an die vielen Frauen, denen ich auf Kregen begegnet war. Von ihnen allen – selbst Mayfwy und ein paar andere gehörten dazu – wäre mir keine gefährlich geworden, hätte ich Delia nicht gekannt. Bei
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