Die Abtrünnigen von Kregen
nicht an meine Waffen herankam.
»Ihr seid Meeres-Werstings?«
Er runzelte die Stirn. »Das ist der törichte Name, den uns die Barbaren und ihr unwissenden Grodnim gegeben habt.«
»Wie heißt ihr denn richtig, und woher kommt ihr?«
Während unseres Gesprächs teilte ich weitere Stücke durchtränktes Brot aus – auch an die anderen Gefangenen in der Nähe.
»Wir sind Kalveng. Wir befahren das Meer und haben überall an der Westküste Turismonds unsere Häfen. Wenn unsere Langboote durch die Gischt schießen und unsere Waffen über das dunkle Meer schimmern, erzittern alle Menschen.«
»Ich bin noch nie dort gewesen. Ist es sehr kalt?«
Er blickte mich an, als sei ich ein Idiot. »Nicht mehr, als ein Kreger mit Kettenhemd und einem Schwert in der Hand ertragen kann.«
Das Gespräch ging noch weiter. Ich hatte den Eindruck, als ließen sich diese Menschen nicht durch Ketten einschüchtern. Wäre ich ein König gewesen, dessen Land durch die Untaten dieser Wesen bedroht war, hätte ich mich vielleicht doch noch auf den Rat des jungen Nalgre eingelassen.
Der Kalveng vor mir, Tyvold ti Vruerdensmot, sichtlich ein stolzer und störrischer Bursche, erzählte mir viel über die unbekannten Länder des nordwestlichen Turismond. Die Küste ist von zahlreichen Buchten und Fjorden durchstoßen. Im Hinterland gibt es viele Seen; ein weites Gebiet voller Leben und Menschen, Nomadenvölker und andere Völker, die in ihren Festungen und Städten blieben. So wie sich die Menschen des Binnenmeeres nach innen gewendet haben, zum Auge der Welt, so sehr halten sich die Nationen des Nordwesten von den anderen fern.
»Wie heißt du?« fragte Tyvold ti Vruerdensmot.
»Gadak.«
Er sah mich erstaunt an. »Und das ist alles?«
»Aye!«
»Du machst doch keine Scherze mit mir?«
»Nein. Du bist gefesselt, und ich bin frei. Darin liegt kein Scherz.«
»Ich habe dich aber gesehen, als die Sklaven flohen und die Fackeln wirbelten und das Feuer sein Ziel fand. Du bist ein Mann mit einem Geheimnis.«
Ich stand langsam auf. »Und wenn du heute nacht fliehen könntest ... würdest du sofort nach Hause zurückkehren?«
Die Sehnsucht auf seinem Gesicht rührte mich.
»Ja!«
»Auf direktem Wege?«
Er verstand, was ich meinte. »Ja, Herr. Auf direktem Wege.«
Ich sagte nichts mehr, sondern wandte mich ab. Die leere Schale blieb zurück.
In derselben Nacht brach ein Dieb in ein Vorratszelt ein und stahl eine Menge Nahrung und Kleidung. Am nächsten Morgen wurde ein bewußtloser Rapawächter entdeckt, dem nichts fehlte außer den Meeres-Werstings, die er hatte bewachen sollen. Die Meeres-Werstings waren verschwunden, und die Suche verlief ergebnislos. Die Führung des Suchtrupps wurde dem Mit-Renegaten Gadak übertragen, und obwohl sich Gadak mit größter Sorgfalt im Norden umschaute, fand er keine Spur der geflohenen Sklaven. Damit, und mit etlichen Flüchen, war die Angelegenheit erledigt.
Nalgre hob die manikürten Fingernägel zu den Goldspitzen an seinem Hals. »Das wären sowieso keine guten Sklaven geworden. Wir hätten sie schließlich doch töten müssen.« Damit nicht genug er mußte noch inbrünstig hinzufügen: »Eine hübsche Chance für ein bißchen Spaß verschenkt!«
Ich sagte nichts, sondern wandte mich ab. Ich überlegte, wie die kalte Heimat der Kalvengs aussehen mochte.
Wenn die Grodnim behaupten, die Meeres-Werstings hätten keine guten Sklaven abgegeben, wußten sie, wovon sie sprachen. Einige Rassen scheinen für das Sklavendasein bestimmt zu sein, und man muß für sie kämpfen und ihnen Rückgrat verleihen, denn im Angesicht Zairs oder Opaz' ist niemand zum Sklaven geboren. Für diese Art von Rasse sind die Xaffer ein typisches Beispiel.
Andere Rassen bringen Männer und Frauen hervor, die die Sklaverei auf keinen Fall erdulden; diese Geschöpfe sterben einfach durch eigene Willenseinwirkung, oder sie suchen den Tod von der Hand ihrer Herren.
Und dann gibt es Rassen mit einem sturen Stolz, der sich schlecht mit dem Sklavenjoch verträgt. Diese Rassen sind zahlreich. Meine vierarmigen Djangs akzeptieren die Sklaverei, wenn es nicht anders geht, doch ein Herr, der so töricht war, einen Dwadjang zu unterjochen, hat es nicht leicht mit seinem Diener.
Wie Sie wissen, bin ich mehr als einmal Sklave gewesen, und dasselbe gilt zu meiner Schande auch für Delia. Ich fragte mich, wie meine Kinder zu dieser Frage stehen mochten. Die älteren Zwillinge Drak und Lela mußten jetzt sechsunddreißig Jahre alt
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