Die Achte Fanfare
echote Kimberlain. »Ich war mir nicht sicher, ob ich Gesellschaft haben würde. Ich dachte, Sie wollten zum Südpol.«
»Ich vertraue Ihnen«, sagte sie leise. »Und im Augenblick brauche ich dieses Vertrauen mehr als alles andere.«
Danielle ließ die Jalousien hinab, um soviel Tageslicht wie möglich auszuschließen. Beide hatten sie in der Nacht zuvor keinen Schlaf gefunden und waren nun erschöpft, was deutlich ihren Gesichtern anzusehen war.
Kimberlain trat zum Sofa, doch Danielle ergriff sanft seinen Arm, als er an ihr vorbeiging. »Bitte«, murmelte sie schüchtern, fast wie ein Kind. »Komm zu mir. Halte mich einfach fest.«
Sie ließ sich auf das gemachte Bett nieder. Kimberlain tat es ihr gleich und legte in einer zuerst sanften, dann festeren Umarmung die Hände um sie. Sie klammerte sich an ihn, und der Fährmann dachte an Lisa in seiner Hütte in Maine. Er begehrte Danielle mehr, als er Lisa begehrt hatte, doch er wußte, daß er sie niemals besitzen würde. Sie hatte nur zweimal in ihrem Leben Sex gehabt, war beide Male vergewaltigt worden. Es konnte kein drittes Mal für sie geben, bevor sie diese bitteren Erinnerungen nicht endgültig hinter sich gelassen hatte. Also lagen sie nebeneinander und umarmten sich, Danielle, um Trost zu finden, Kimberlain aus Leidenschaft, wobei er alle Gedanken an Sex zurückzwang. Sie drängten sich aneinander, und er fühlte ihre Wärme, bevor er einschlief.
Als er erwachte, stellte er fest, daß es draußen dunkel war und seine Arme geschickt arrangierte Kissen anstatt Danielle umschlangen. Er stolperte aus dem Bett und tastete nach dem Lichtschalter. Ihre Nachricht sah er sofort, ein Zettel, den sie in den Spiegel über der Kommode geklemmt hatte. Kimberlain überflog ihn beim ersten Lesen und konzentrierte sich auf die genauen Anweisungen, die sie ihm hinterlassen hatte, wie er die Insel verlassen konnte. Den ersten Teil der Nachricht las er dann zum Schluß; er wußte bereits, was darinstand.
Sie war gegangen, hatte ihn verlassen, um eine sinnlose Reise zur Antarktis und zum Außenposten 10 anzutreten.
Kimberlain zerknüllte den Zettel und spürte, wie Zorn in ihm aufkeimte. Die Ähnlichkeiten zwischen ihnen beiden waren wirklich verblüffend. Doch genauso auffällig waren die Unterschiede. Für sie gab es nur zwei Punkte, die von einer Geraden verbunden wurden. Für Kimberlain war es viel wichtiger, dieser Linie zu folgen. Für Danielle waren der Anfang und das Ende ausschlaggebend. Der Fährmann hatte sein Leben all dem gewidmet, was dazwischen lag, als habe sein Dasein sich in eine Unendliche verwandelt, die weder Anfang noch Ende hatte.
Er verdrängte den Gedanken an sie und glättete den zerknüllten Zettel wieder, um sich ihre Anweisungen für seine Flucht einzuprägen. Sie waren kompliziert, würden jedoch nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen. Er überlegte, daß er, den Zeitunterschied eingerechnet, in der Nacht zum Dienstag wieder in Washington sein konnte.
Damit blieben ihm noch zwei volle Tage bis zum Beginn von Macy's Parade zum Erntedankfest und nicht viel länger, bevor sich das ereignen würde, was Bruder Valette die Achte Fanfare genannt hatte.
Allmählich machte sich bei Zeus der Streß bemerkbar. Nach Kimberlains Anruf hatte er Dutzende Telefonate getätigt. Er hatte hohe Beamte aus Treffen und Konferenzen heraus- und von Mahlzeiten fortgeholt. Sie alle hatte er über einen Kanal für Notfälle erreicht, von dem nur sehr wenige Menschen wußten.
»Wer zum Teufel spricht da?« hatte der erste gefragt, den er ans Telefon bekommen hatte.
»Begrüßt man so einen alten Freund, Colonel?«
»Zeus? Sie rufen über einen toten Kanal an, gottverdammt noch mal. Er ist nicht abhörsicher. Ich kann nicht mit Ihnen spre…«
»Sie werden mit mir sprechen, Colonel, denn auf Kodes und abhörsichere Leitungen können wir jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Ich brauche von Ihnen Informationen über eine Einrichtung des Verteidigungsministeriums. Außenposten 10.«
»Außenposten was?«
»Keine Spielchen, bitte.«
»Das ist kein Spiel. Ich weiß nicht, wovon zum Teufel Sie sprechen.«
So ging es nun schon seit Stunden. Jeder, den er über diese alten Kanäle erreichte, die nach seinem Rücktritt sofort durch andere ersetzt worden waren, gab vor, nichts vom Außenposten 10 zu wissen – und Zeus glaubte ihnen. Dies verwirrte ihn nicht minder, als daß es ihm Angst machte, denn es bedeutete, daß es womöglich all seinen Versuchen widerstand, es
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