Die Achte Fanfare
Flughafen abhanden gekommen. Sie mieten also ein Zimmer, und« – er hielt kurz inne – »ich komme kurz darauf zu Ihnen hoch.«
Sie musterte ihn, erstaunt, wie schnell sein Verstand arbeitete. Sie hatte den Eindruck, er würde ständig jede mögliche Alternative abwägen, um sich schließlich für die logische und sicherste Strategie zu entscheiden. Sie seufzte, peinlich berührt, weil sie nicht zur selben Schlußfolgerung gelangt war, und nickte ihre Zustimmung.
Danielle wählte das Dragonara aus, weil es sich ganz in der Nähe befand und weil es nicht im Stadtzentrum lag, wo sich die Suche nach ihnen wahrscheinlich konzentrieren würde.
Zehn Minuten, nachdem sie sich eingetragen hatte, klopfte es an der Tür. Sie ließ den Fährmann herein, und er trat augenblicklich zum Telefon. Am wichtigsten war nun das Telefonat mit Zeus, doch die Vermittlung hatte Schwierigkeiten, eine offene Überseeleitung zu finden, und versprach, zurückzurufen, wenn sie die Verbindung hergestellt hatte.
»Ich habe etwas beim Zimmer-Service bestellt«, sagte Danielle.
»Hoffentlich keine zwei Portionen.«
»Ich habe Fisch bestellt, die größte Portion, die es hier gibt. Und einen Salat und alkoholfreie Getränke.«
»Ausgezeichnet.« Er betrachtete sie mitfühlend. »Um Bruder Valette tut es mir leid.«
Sie versuchte, ihre Trauer zu verbergen. »Außer Ihnen war er der einzige andere Mensch, der meine gesamte Geschichte kannte. Doch er hatte immer mit seinem Tod rechnen müssen und vorgesorgt. Wir Ritter arbeiten nicht wie klassische Vereinigungen. Informationen werden breit gefächert weitergegeben, doch der Kontakt zwischen den verschiedenen Ebenen vollzieht sich nur durch sehr direkte Kanäle.«
»Werden Sie sie jetzt benutzen, um sich neu zu formieren?«
»Dazu bleibt keine Zeit. Ich gehöre dorthin, wohin Bruder Valette mich schicken wollte: zum Außenposten 10.«
»Das ist Wahnsinn.«
»Unsere ganze Sache ist Wahnsinn, Fährmann.«
»Aber überdenken Sie doch die Situation! Sie können in dieser Station – falls Sie sie überhaupt erreichen – nichts bewirken, was Zeus' Leute nicht besser in den Griff bekämen.«
Sie sah ihn verächtlich an. »Die Ritter existieren nur, um die Hashi zu vernichten. In der Vergangenheit haben wir den Fehler begangen, uns zu sehr auf andere zu verlassen, die unsere Arbeit erledigen sollten. Sie waren der Aufgabe nur selten gewachsen.«
»Diesmal ist es etwas anderes.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die Ritter haben mir mein Leben zurückgegeben, und dafür habe ich einen Eid geleistet. Dieser Eid verlangt nun von mir, daß ich mich zum Außenposten 10 begebe. Und jetzt sagen Sie mir, daß Sie nicht genauso handeln würden!«
»Das würde ich nicht. Der Unterschied zwischen uns liegt darin, daß ich weiß, wann ich nachgeben muß, wann ich etwas so weit vorangetrieben habe, wie es mir möglich ist. Hingabe ist eine Sache, Besessenheit eine ganze andere.«
»Ihre Definitionen unterscheiden sich nur darin, wie man sie mißt.« Und damit wurde ihr Blick traurig. »Und Sie stellen nur einen Unterschied zwischen uns heraus. Wenn Sie mich nicht aufgehalten hätten, hätte ich diese Kinder in der Kirche getötet.«
»Unter den gegebenen Umständen wäre das vielleicht die bessere Strategie gewesen.«
»Nehmen Sie mich nicht in Schutz, Fährmann. Sie sprechen davon, daß man gewisse Grenzen ziehen muß, und es gibt mehrere, die Sie einfach nicht überschreiten wollen.«
»Eine Lektion, die ich vor langer Zeit gelernt habe – aber nicht auf die leichte Art. Als Caretaker war ich gezwungen, mir die Wertmaßstäbe anderer Menschen zu eigen zu machen und meine eigenen aufgrund der Befehle, die ich ausführen mußte, zurückzudrängen. Doch sie konnten nicht verhindern, daß ich mich immer noch im Spiegel ansah, und nach drei Jahren konnte ich den Anblick nicht mehr ertragen. Ich habe geschworen, ihn nie wieder erdulden zu müssen. Ich habe damals vieles getan, mit dem ich kaum noch leben konnte. Diese Kinder zu töten … das hätte alles wieder zurückgebracht.«
»Sie hätten es vorgezogen, daß sie Sie töten?«
»Sie haben mich nicht getötet.«
»Es hätte aber gut sein können.«
Das Telefon klingelte.
»Hallo, Fährmann«, sagte Zeus. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Hören Sie damit nicht auf«, entgegnete Kimberlain. »Ich habe Ihnen einiges zu sagen. Vielleicht wollen Sie das Gespräch mitschneiden.«
»Die Spulen drehen sich schon, alter Freund. Sie
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