Die Achte Fanfare
ein gewaltiges, langgezogenes Maul, das nur aus Muskeln, Kiefern und Zähnen bestand. Der Kühlergrill bestand aus einer Stahllegierung, mit der die Lok alles, was in ihrem Weg lag, zur Seite schieben konnte, ohne abzubremsen, ein Merkmal, das sie scheinbar leicht brummig dreinschauen ließ. Auch Kimberlain fühlte sich unwillkürlich an die Miene erinnert, die der Komiker Oliver Hardy zog, wenn er wieder zu einem seiner berühmten Gefechte mit seinem Kollegen Stan Laurel antrat. Wenn man dann noch die Krümmung des Kühlergrills in Betracht zog, die an einen Schnurrbart erinnerte, war vollauf verständlich, wieso der Name ›Ollie‹ in großen weißen Buchstaben an der Seite der Lok stand.
O'Brien führte Kimberlain zum Führerhaus, und der Fahrer gab seinen Posten mehr als nur etwas erleichtert auf.
»Haben Sie so ein Ding schon mal gefahren?« fragte er den Fährmann. Und als Kimberlain den Kopf schüttelte, erklärte er ihm in einem zweiminütigen Schnellkurs, wie man die verschiedenen Gänge einlegte und Ollie beschleunigte beziehungsweise abbremste. »Sie werden merken, wie Sie langsamer werden, wenn Sie die Züge vor sich herschieben, doch Ollie gewinnt ziemlich schnell wieder an Tempo, wenn Sie …«
Der Fährmann versuchte, sich alles zu merken, und stieg auf den Fahrersitz.
O'Brien sah in die Kabine hinein. »Sind Sie sicher, daß ich nicht mitkommen soll?«
»Ich arbeite am besten allein.«
O'Brien nickte zögernd. »Na gut, aber nachdem Sie den Bahnhof Wall Street hinter sich gelassen haben, kommt der East-River-Tunnel ziemlich schnell. Er ist etwas mehr als achthundert Meter lang, und wenn Sie mit dreißig Stundenkilometer fahren, bleiben Ihnen nicht einmal zwei Minuten zum Abbremsen. Gehen Sie frühzeitig vom Gas, damit Sie die Waggons nicht bis nach Brooklyn schieben.« Der Techniker trat zurück. »Viel Glück, Kumpel.«
Kimberlains Uhr zeigte neununddreißig Minuten nach zehn, als er Ollie anfahren ließ.
Gemeinsam mit den Männern kam die Kälte durch die Tür. Danielle hatte den Eindruck, daß sie den Sturm mit sich brachten. Im nächsten Augenblick warf sie sich zu Boden und zog ihre Pistole. Drei weißgekleidete, eisverkrustete Gestalten stürmten heran. Sie rutschte an Farraday vorbei, so daß sie ihn abschirmen konnte, während sie dreimal schoß, die einzigen Schüsse, die sie abgeben konnte, bevor der Mechanismus wegen der Kälte klemmte.
Sie sah, wie einer der Männer zu Boden ging und die beiden anderen hektisch versuchten, neue Magazine einzulegen. Danielle sprang auf und setzte zu einem Überraschungsangriff an. Sie schlug dem ersten Mann den Pistolenknauf wie einen Hammer gegen den Kopf, während der zweite sein Gewehr fallen ließ, um statt dessen zu einem Messer zu greifen. Sein erster Schlag zog eine saubere Linie über ihren Bauch. Danielle schrie vor Schmerzen und Wut auf und griff ihrerseits vehement an, blockte die Hand mit dem Messer ab und trat dem Mann mit ihrem schweren Stiefel gegen die Knie.
Der Hashi schrie auf, und sie riß ihn herum, um eine bessere Position zu bekommen. Sie sah, daß sich der Mann, den sie mit dem Pistolenknauf niedergestreckt hatte, wieder auf die Knie erhoben hatte; Blut strömte sein Gesicht hinab. Blind tastete er auf dem Boden nach seinem gerade geladenen Gewehr. Danielle versuchte, es zur Seite zu treten, mußte dabei jedoch den Griff um die Hand des Messerstechers lockern, und der Mann riß sich los und holte gegen ihren Brustkorb aus. Es gelang Danielle, den Schlag abzuwehren, doch mittlerweile hatte der zweite Mann sein Gewehr gefunden und hob es für einen sauberen Schuß. Und Danielle war völlig hilflos.
Plötzlich warf sich Farraday mit seinem muskulösen Oberkörper und den nutzlosen Beinen von hinten auf den Schützen. Das Manöver zwang den Mann zu Boden, wo die beiden gleichwertige Gegner waren und Farraday die Kraft seines Oberkörpers einsetzen konnte, um den Vorteil zu erringen. Im gleichen Augenblick wehrte Danielle die Messerklinge ein zweites Mal ab und faßte mit beiden Händen nach dem Arm des Mannes. Sie zwang ihn zurück und rammte dem Mann das Messer in den Leib. Er erstarrte und brach zusammen, rührte sich nicht mehr, während der Wind durch die aufgebrochene Tür des Außenpostens fuhr und das Geräusch von Schüssen mit sich brachte.
Danielle wollte sich zu Boden werfen, als eine weitere Gestalt mit schußbereiter Waffe in der Tür erschien. Farraday griff nach der Waffe des zweiten Mannes und deckte den
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