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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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und Wählerverzeichnisse in Milwaukee nach dem Namen Vernier zu durchsuchen, obschon ihr klar war, dass sie vielleicht nicht den richtigen Namen hatte, falls der Soldat Léonies Sohn war und nicht Anatoles. Im letzten Moment fiel ihr noch ein, den Namen Lascombe hinzuzufügen, bevor sie sich mit einer langen Serie von Kuss-Smileys verabschiedete.
    Das Telefon neben dem Bett klingelte.
    Einen Moment lang starrte sie einfach auf den Apparat, als verstünde sie nicht ganz, was sie da hörte. Dann klingelte es erneut.
    Sie riss den Hörer ans Ohr. »Hallo?«
    »Meredith? Ich bin’s, Hal.«
    Er klang nicht gut. »Alles in Ordnung?«
    »Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich wieder da bin.«
    »Wie ist es gelaufen?«
    Schweigen, dann: »Das erzähle ich Ihnen, wenn wir uns sehen. Ich warte an der Bar. Ich will Sie nicht von der Arbeit abhalten.«
    Meredith warf einen Blick auf die Uhr und stellte verblüfft fest, dass es schon Viertel nach sechs war. Sie schaute auf das chaotische Durcheinander von Tarotkarten, Notizzetteln mit Internetseiten und Fotos auf dem Schreibtisch, Zeugnis ihres arbeitsreichen Nachmittags. Ihr Kopf fühlte sich an, als würde er gleich platzen. Sie hatte viel herausgefunden, und doch kam es ihr so vor, als tappte sie noch im Dunkeln.
    Sie wollte nicht aufhören, merkte aber, dass ihr Gehirn heiß gelaufen war. Wie damals, wenn sie spätabends noch für die Schule gelernt hatte, bis Mary in ihr Zimmer kam, ihr einen Kuss auf den Kopf drückte und sagte, es sei Zeit, ins Bett zu gehen, ein ausgeschlafener Verstand könne viel klarer denken.
    Meredith lächelte. Mary hatte meistens – immer – recht.
    Sie würde heute Abend nicht mehr viel erreichen. Außerdem hörte Hal sich an, als täte ihm Gesellschaft gut. Mary würde das auch so sehen. Die Lebenden waren wichtiger als die Toten.
    »Ehrlich gesagt, ich könnte jetzt ganz gut aufhören.«
    »Ehrlich?«
    Meredith hörte die Freude in seiner Stimme und musste lächeln.
    »Ehrlich«, sagte sie.
    »Stör ich auch wirklich nicht?«
    »Wirklich nicht«, beteuerte sie. »Ich mach das hier eben noch fertig und bin in zehn Minuten unten.«
    Meredith zog sich um. Nichts Schickes, nur eine frische weiße Bluse und ihren schwarzen Lieblingsrock. Dann ging sie ins Bad. Ein bisschen Puder auf die Wangen, etwas Mascara für die Augen und ein Hauch Lippenstift, dann bürstete sie sich das Haar und steckte es zu einem Knoten fest.
    Als sie gerade die Schuhe angezogen hatte und aus dem Zimmer gehen wollte, meldete ihr Laptop mit einem Piepton, dass sie eine Mail bekommen hatte.
    Meredith öffnete das Mailprogramm und klickte Marys Nachricht an. Sie war bloß zwei Zeilen lang und enthielt einen Namen, Daten, eine Adresse und das Versprechen, erneut zu mailen, sobald es wieder was Neues gab.
    Meredith lächelte übers ganze Gesicht.
    Volltreffer.
    Sie nahm das Foto in die Hand, das jetzt keinen unbekannten Soldaten mehr zeigte. Es gab noch vieles mehr zu klären, aber sie war auf einem guten Weg. Sie klemmte das Bild in den Rahmen der Fotografie, wo es hingehörte. Die Familie vereint. Ihre Familie.
    Im Stehen beugte sie sich vor und klickte auf Antworten.
    »Du bist absolut unbezahlbar«, tippte sie. »Jede weitere Info wäre prima! Liebe Grüße.«
    Meredith klickte auf Senden. Dann ging sie, noch immer lächelnd, nach unten, um sich mit Hal zu treffen.

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    Siebter Teil
    Carcassonne
    September–Oktober 1891

Kapitel 51
    ∞
    Sonntag, 27 . September 1891
    A m Morgen nach dem Diner standen Léonie, Anatole und Isolde spät auf. Der Abend war ein voller Erfolg gewesen, da waren sich alle einig. Die großzügigen Räumlichkeiten der Domaine de la Cade waren nach langer Stille wieder zum Leben erwacht. Die Dienstboten pfiffen fröhlich auf dem Flur. Pascal grinste übers ganze Gesicht. Marieta tänzelte beschwingt und mit einem Lächeln auf den Lippen durch die Halle.
    Nur Léonie war unpässlich. Sie hatte grässliche Kopfschmerzen und Schüttelfrost, was auf das ungewohnte Übermaß an Wein zurückzuführen war und auf die Nachwirkungen dessen, was Monsieur Baillard ihr anvertraut hatte.
    Fast den ganzen Vormittag lag sie auf der Chaiselongue mit einer kalten Kompresse auf der Stirn. Als sie sich so weit erholt hatte, dass sie zu Mittag ein wenig geröstetes Brot und Rindfleischbouillon essen konnte, überkam sie die Malaise, die sich meist einstellt, wenn ein großes Ereignis vorüber ist. In den letzten Tagen hatte das Diner in ihrem Kopf so viel Raum

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