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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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war, dass er lautlos weinte.
    »Oh, Hal«, murmelte sie voller Mitgefühl.
    »Erzähl mir was von dir«, sagte er wenig später. »Du weißt so viel über mich, was ich hier mache – zu viel wahrscheinlich –, aber ich weiß so gut wie nichts über dich, Ms. Martin.«
    Meredith lachte. »Wieso so förmlich, Mr. Lawrence?«, sagte sie und ließ ihre Finger über seine Brust und tiefer gleiten.
    Hal hielt ihre Hand fest. »Ich meine es ernst! Ich weiß nicht einmal, wo du lebst. Woher du kommst. Was deine Eltern machen. Komm schon, raus mit der Sprache.«
    Meredith verschränkte ihre Finger mit seinen. »Na schön. Ein kurzer Lebenslauf. Ich bin in Milwaukee geboren und aufgewachsen, mit achtzehn bin ich aufs College in North Carolina. Nach dem Studium hatte ich zwei Dozentenstellen – ein an der Uni in St. Louis, eine in Seattle –, während ich mich die ganze Zeit um Geld bemüht habe, um meine Debussy-Biographie zu Ende zu schreiben. Kleiner Zeitsprung von ein paar Jahren. Meine Adoptiveltern sind von Milwaukee nach Chapel Hill gezogen, ganz in die Nähe meiner alten Uni. Vor einigen Monaten wurde mir eine Stelle an einem Privatcollege angeboten, ebenfalls nicht weit von meiner alten Uni, und endlich ein Vertrag von einem Verlag.«
    »Adoptiveltern?«, sagte Hal.
    Meredith seufzte. »Meine leibliche Mutter, Jeanette, konnte nicht richtig für mich sorgen. Mary ist eine entfernte Cousine von ihr, eine Art Tante zweiten oder dritten Grades. Ich war oft bei ihr und ihrem Mann Bill, wenn Jeanette krank war. Als die Situation richtig schlimm wurde, bin ich ganz zu ihnen gezogen. Einige Jahre später haben sie mich adoptiert, als meine leibliche Mutter … starb.«
    Die schlichten, sorgsam gewählten Worte verharmlosten diese Jahre, die geprägt gewesen waren von mitternächtlichen Anrufen, unangekündigten Besuchen, lautstarken Streitereien auf der Straße, von der schwer lastenden Verantwortung, die Meredith als Kind für ihre psychisch gefährdete und unberechenbare Mutter empfunden hatte. Und die sachliche Art, wie sie die Fakten aufzählte, ließ nicht erahnen, welche Schuldgefühle sie bis heute, viele Jahre später, quälten, weil ihre erste Reaktion auf die Nachricht vom Tod ihrer Mutter nicht Trauer, sondern Erleichterung gewesen war.
    Das konnte sie sich nicht verzeihen.
    »Klingt hart«, sagte Hal.
    Sein britisches Understatement entlockte Meredith ein Lächeln, und sie schmiegte sich enger an seinen warmen Körper neben ihr im Bett.
    »Ich hatte Glück«, sagte sie. »Mary ist eine tolle Frau. Sie hat mich dazu gebracht, mit Geige anzufangen und dann mit Klavier. Ihr und Bill verdanke ich alles.«
    Er grinste. »Und du schreibst wirklich eine Biographie über Debussy?«, sagte er neckend.
    Meredith gab ihm einen verspielten Klaps auf den Arm. »Und ob!«
    Einen Moment lang lagen sie schweigend da, reglos, Haut an Haut.
    »Aber du bist auch noch aus einem anderen Grund hier«, sagte Hal schließlich. Er wandte seinen Kopf auf dem Kissen zu dem gerahmten Porträtfoto auf der anderen Seite des Zimmers. »Da täusche ich mich doch nicht, oder?«
    Meredith setzte sich auf, zog das Laken hoch, so dass nur ihre Schultern unbedeckt waren.
    »Nein, du täuschst dich nicht.«
    Hal spürte, dass sie noch nicht ganz bereit war, darüber zu sprechen, daher setzte er sich ebenfalls auf und schwang die Beine aus dem Bett. »Möchtest du was trinken?«
    »Ein Glas Wasser täte gut«, sagte sie.
    Er holte zwei Flaschen aus der Minibar und stieg wieder zu ihr ins Bett.
    »Bitte sehr.«
    »Danke«, sagte Meredith und nahm einen großen Schluck aus der Flasche. »Über die Vorfahren meiner leiblichen Mutter weiß ich nur, dass sie möglicherweise aus diesem Teil Frankreichs stammten und während des Ersten Weltkriegs oder kurz darauf nach Amerika ausgewandert sind. Ich habe ein Foto, das 1914 auf dem Platz in Rennes-les-Bains aufgenommen wurde. Es zeigt meinen Urgroßvater, jedenfalls bin ich ziemlich sicher, dass er das ist. Er soll sich in Milwaukee niedergelassen haben, aber da ich keinen Namen hatte, bin ich nicht weitergekommen. In der Stadt lebten seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts viele Europäer. Der erste Europäer, der sich dort niederließ, war ein französischer Händler namens Jacques Veau, der einen Handelsposten gründete, und zwar an der Mündung der drei Flüsse Milwaukee, Menomonee und Kinnickinnic. Es kam also einigermaßen hin.«
    Danach berichtete sie Hal in groben Zügen, was sie seit ihrer

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