Die achte Karte
fehlenden Bremsspuren, und für den Alkoholpegel in seinem Blut haben wir noch immer keine Erklärung.«
Meredith fixierte ihn. »Was also dann, Hal? Worauf wollen Sie hinaus?«
»Dass entweder die Testergebnisse gefälscht sind, oder jemand ihm was ins Glas getan hat.«
Ihre Mimik verriet sie.
»Sie glauben mir nicht«, sagte er.
»Das will ich nicht sagen«, erwiderte sie schnell. »Aber überlegen Sie doch mal, Hal. Selbst angenommen, es wäre möglich, wer würde so etwas machen? Und warum?«
Er sah ihr in die Augen, bis Meredith begriff, worauf er hinauswollte.
»Ihr Onkel?«
Er nickte. »Wer sonst?«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, wandte sie ein. »Ich meine, klar, Sie mögen ihn nicht, aber trotzdem … so ein Vorwurf …«
»Ich weiß, es klingt lächerlich, aber überlegen Sie doch mal, Meredith. Wer hätte sonst etwas davon?«
Meredith schüttelte den Kopf. »Haben Sie Ihren Verdacht der Polizei gegenüber geäußert?«
»Nicht so direkt, aber ich habe beantragt, dass die Akte der
gendarmerie nationale
gezeigt wird.«
»Und das bedeutet?«
»Die
gendarmerie nationale
untersucht schwerere Straftaten. Zurzeit wird die Sache noch als Verkehrsunfall behandelt. Aber wenn ich irgendein Verdachtsmoment gegen Julian finde, rollen sie den Fall vielleicht noch einmal neu auf.« Er sah sie an. »Wenn Sie bei dem Gespräch mit Dr. O’Donnell dabei wären, wäre sie möglicherweise aufgeschlossener.«
Meredith lehnte sich zurück. Das ganze Szenario war verrückt. Sie merkte Hal an, dass er hundertprozentig davon überzeugt war, weil er daran glauben wollte. Sie fühlte mit ihm, aber sie war sicher, dass er sich täuschte. Er musste irgendjemandem die Schuld geben, um seiner Wut und seiner Trauer Herr zu werden. Und sie wusste aus eigener Erfahrung, dass die Wahrheit, selbst wenn sie noch so schlimm war, immer noch besser war als das Nichtwissen, weil es einen daran hinderte, die Vergangenheit ruhenzulassen und sich der Zukunft zuzuwenden.
»Meredith?«
Sie merkte, dass Hal sie anstarrte. »Tut mir leid«, sagte sie. »War in Gedanken.«
»Könnten Sie dabei sein, wenn Dr. O’Donnell morgen kommt?«
Sie zögerte.
»Ich wäre Ihnen sehr dankbar.«
»Warum nicht?«, sagte sie schließlich. »Klar.«
Er stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Danke.«
Der Kellner kam, und sogleich entspannte sich die Atmosphäre, nahm eher den Charakter eines normalen Rendezvous an. Sie bestellten beide Steak, und Hal suchte dazu eine Flasche Rotwein aus der Gegend aus. Einen Moment lang saßen sie da, sahen einander mal an, mal nicht, lächelten verlegen und waren unsicher, was sie sagen sollten.
Hal brach das Schweigen. »So«, sagte er. »Wir haben genug über meine Probleme geredet. Erzählen Sie mir jetzt, warum Sie wirklich hier sind?«
Meredith erstarrte. »Wie bitte?«
»Offensichtlich nicht wegen des Buchs über Debussy, oder? Zumindest nicht nur deswegen.«
»Wieso sagen Sie das?« Die Frage kam schneidender heraus, als sie beabsichtigt hatte.
Er wurde rot. »Na ja, erstens haben die Sachen, für die Sie sich heute so interessiert haben, nicht viel mit Lilly Debussy zu tun. Es scheint Ihnen mehr um die Geschichte der Gegend, um Rennes-les-Bains und die Menschen hier zu gehen.« Er grinste. »Außerdem ist mir aufgefallen, dass das Foto über dem Klavier verschwunden ist. Irgendwer hat es mitgehen lassen.«
»Sie verdächtigen mich?«
»Sie haben es sich heute Morgen angesehen, also …«, sagte er mit einem entschuldigenden Lächeln. »Und, na ja, was meinen Onkel betrifft … ich weiß nicht, wahrscheinlich liege ich ja falsch, aber ich hatte den Gedanken, Sie sind vielleicht hier, um ihm auf den Zahn zu fühlen … Viel Sympathie haben Sie auf jeden Fall nicht füreinander.«
Er verstummte.
»Sie glauben, ich bin hier, um Ihrem Onkel auf den Zahn zu fühlen? Das ist ein Witz, oder?«
»Na ja, möglich, vielleicht.« Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, nein.«
Sie trank einen Schluck Wein.
»Ich wollte Sie nicht verärgern …«
Meredith hob eine Hand. »Mal sehen, ob ich das alles richtig auf die Reihe kriege. Weil Sie glauben, der Unfall Ihres Vaters war in Wirklichkeit kein Unfall, und weil Sie glauben, jemand hat womöglich die Untersuchungsergebnisse manipuliert, oder ihm was ins Glas getan und den Wagen von der Straße gedrängt …«
»Ja, obwohl …«
»Kurz gesagt, Sie haben den Verdacht, Ihr Onkel hat etwas mit dem Tod Ihres Vaters zu tun. Richtig?«
»Na
Weitere Kostenlose Bücher