Die achte Karte
ja, wenn Sie es so ausdrücken, klingt es …«
Meredith sprach unbeirrt weiter, und ihre Stimme wurde lauter. »Und wegen alldem kommen Sie, als ich auftauche, aus irgendeinem verrückten Grund zu dem Schluss, ich hätte auch etwas mit der Sache zu tun? Glauben Sie das, Hal? Für was halten Sie mich, eine Figur von Agatha Christie?«
Sie lehnte sich zurück und starrte ihn an.
Immerhin wurde er rot. »Ich wollte Sie nicht beleidigen«, sagte er. »Aber, na ja, Dad hat da so was gesagt, im April – nach dem Gespräch, von dem ich Ihnen erzählt habe –, und dadurch hatte ich den Eindruck, dass er unzufrieden damit war, wie Julian den Laden hier schmiss, dass er deshalb irgendetwas unternehmen wollte.«
»Hätte Ihr Vater denn nicht offen mit Ihnen darüber gesprochen? Wenn es ein Problem gab, dann wäre das für Sie doch auch von Belang gewesen.«
Hal schüttelte den Kopf. »So war Dad nicht. Er konnte Klatsch und Tratsch nicht ausstehen, Gerüchte. Er hätte nie was gesagt, nicht mal zu mir, solange er sich seiner Sache nicht absolut sicher gewesen wäre. Unschuldig bis zum Beweis der Schuld.«
Meredith dachte darüber nach. »Okay, das leuchtet mir ein. Aber Sie haben trotzdem gespürt, dass irgendetwas zwischen den beiden nicht stimmte?«
»Vielleicht war es etwas ganz Banales, aber ich hatte trotzdem irgendwie den Eindruck, es ging um was Ernstes. Um irgendwas, das mit der Domaine de la Cade und ihrer Vergangenheit zu tun hatte, nicht bloß um Geld.« Er zuckte die Achseln. »Tut mir leid, Meredith, was ich sage, klingt nicht gerade verständlich.«
»Hat er nichts hinterlassen? Eine Akte? Notizen?«
»Glauben Sie mir, ich habe überall gesucht. Nichts.«
»Und als Sie sich das alles noch mal durch den Kopf gehen ließen, ist Ihnen der Gedanke gekommen, er könnte jemanden engagiert haben, der Ihren Onkel ein bisschen unter die Lupe nimmt. Um zu sehen, was dabei herauskommt.« Sie stockte, sah ihn über den Tisch hinweg an. »Wieso haben Sie mich denn nicht einfach gefragt?«, sagte sie mit wutblitzenden Augen, obwohl sie sich genau denken konnte, weshalb nicht.
»Na ja, weil ich heute Nachmittag erst den Gedanken hatte, Sie könnten vielleicht wegen … wegen meinem Dad hier sein.«
Meredith verschränkte die Arme. »Dann haben Sie mich gestern Abend in der Bar also nicht deswegen angesprochen?«
»Nein, natürlich nicht!«, sagte er mit einem Blick, der aufrichtige Entrüstung zeigte.
»Warum dann?«, fragte sie.
Hal wurde rot. »Verdammt, Meredith, du weißt genau, warum. Das ist doch nicht zu übersehen.«
Und diesmal war es Meredith, die errötete.
Kapitel 66
H al unterschrieb die Rechnung für das Abendessen. Während sie ihn beobachtete, fragte sich Meredith, ob sein Onkel darauf bestehen würde, dass er sie tatsächlich bezahlte, schließlich gehörte ihm praktisch die Hälfte des Hotels. Sogleich waren ihre Sorgen um ihn wieder da.
Sie verließen das Restaurant und gingen in die Lobby. Unten an der Treppe spürte Meredith, wie Hals Finger sich um ihre schlossen.
Hand in Hand gingen sie die Treppe hinauf. Meredith war völlig ruhig, fühlte sich weder nervös noch irgendwie zwiespältig. Sie musste nicht darüber nachdenken, ob sie wollte, was jetzt geschah. Es fühlte sich richtig an. Sie mussten nicht einmal darüber reden, wohin sie gehen sollten, wie von selbst wussten beide, dass Merediths Zimmer besser war. Richtig für sie, richtig für den Augenblick.
Sie erreichten das Ende des Flurs im ersten Stock, ohne irgendeinem anderen Gast zu begegnen. Als Meredith den Schlüssel im Schloss drehte, klang das Geräusch laut über den stillen Korridor. Sie schob die Tür auf. Fast feierlich gingen sie hinein, noch immer Hand in Hand.
Der Herbstmond warf weiße Lichtstreifen durch die Fenster und malte ein Muster auf den Boden. Strahlen brachen sich und schimmerten auf der Oberfläche des Spiegels, auf dem Glas des gerahmten Porträts von Anatole und Léonie Vernier und Isolde Lascombe, das auf dem Schreibtisch stand.
Meredith streckte die Hand aus, um das Licht einzuschalten.
»Nicht«, sagte Hal leise.
Er legte die Hand um ihren Hinterkopf und zog sie an sich. Meredith atmete seinen Geruch ein, wie in Rennes-les-Bains vor der Kirche, eine Mischung aus Wolle und Seife.
Sie küssten sich, noch mit einem Hauch Rotwein an den Lippen, zuerst sanft, behutsam, bis das freundschaftliche Element in etwas anderes überging, etwas Drängenderes. Meredith spürte, wie das Wohlgefühl dem
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