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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Ankunft in der Domaine de la Cade herausgefunden hatte. Sie erklärte ihm, warum sie das Foto in der Lobby mitgenommen hatte, und erzählte von dem Klavierstück, das sie von ihrer Großmutter, Louisa Martin, geerbt hatte. Die Tarotkarten ließ sie jedoch unerwähnt. Das Gespräch am frühen Abend in der Bar war schon unangenehm genug gewesen, und Meredith wollte Hal jetzt nicht an seinen Onkel erinnern.
    »Du glaubst also, der unbekannte Soldat ist ein Vernier«, sagte Hal, als Meredith offenbar zum Ende gekommen war.
    Sie nickte. »Die äußere Ähnlichkeit ist verblüffend. Haare, Augen, Gesichtsform. Er könnte ein jüngerer Bruder oder ein Cousin sein, aber den Jahreszahlen und seinem Alter nach halte ich ihn eher für einen direkten Nachfahren.« Sie hielt inne, und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Und vorhin, kurz bevor ich runter in die Bar gekommen bin, habe ich eine E-Mail von Mary erhalten. Sie hat in den Gräberverzeichnissen des Friedhofs in Mitchell Point, Milwaukee, einen Vernier entdeckt.«
    Hal lächelte. »Und du glaubst, Anatole Vernier war sein Vater?«
    »Ich weiß nicht. Das ist der nächste Schritt.« Sie seufzte. »Vielleicht Léonies Sohn?«
    »Dann wäre er doch kein Vernier, oder?«
    »Doch, wenn sie nicht verheiratet war.«
    Hal nickte. »Stimmt.«
    »Also, ich schlage Folgendes vor. Nach unserem Gespräch morgen mit Dr. O’Donnell revanchierst du dich, indem du mir bei einer kleinen Nachforschung in Sachen Vernier hilfst.«
    »Abgemacht«, sagte er betont heiter, aber Meredith spürte seine erneute Anspannung. »Ich weiß, du denkst, ich verrenne mich da in was, aber ich wäre wirklich froh, wenn du dabei wärst. Sie kommt um zehn.«
    »Na ja«, sagte sie leise und spürte, wie die Müdigkeit sie überkam. »Du hast schon recht. Vielleicht ist sie aufgeschlossener, wenn noch eine Frau dabei ist.«
    Sie hatte Mühe, die Augen aufzuhalten. Langsam driftete Meredith von Hal weg. Der silberne Mond wanderte über den schwarzen Midi-Himmel. Unten im Tal schlug die Glocke an, wie die Stunden vergingen.

Kapitel 67
    I n ihrem Traum saß Meredith am Klavier unten neben der Treppe. Die Melodie und die kühlen Tasten unter ihren Fingern waren ihr vertraut. Sie spielte Louisas Erkennungsstück, besser als je zuvor, lieblich und doch voller Wehmut.
    Dann löste sich das Klavier in Luft auf, und sie ging über einen schmalen und leeren Korridor. Am Ende waren ein Lichtfleck und einige Steinstufen, von zahllosen Füßen in der Mitte ausgetreten und abgenutzt vom Zahn der Zeit. Sie wollte kehrtmachen, blieb aber unverwandt stehen. Sie war irgendwo in der Domaine de la Cade, das wusste sie, aber den Teil des Hauses oder des Anwesens kannte sie nicht.
    Das Licht, ein vollkommenes Quadrat, kam von einer Gaslampe an der Wand, die zischte und spuckte, als Meredith sich wieder in Bewegung setzte. Sie erreichte die oberste Stufe und blickte auf einen alten verstaubten Wandteppich mit einem Jagdmotiv. Einen Moment lang sah sie die grimmigen Mienen der Männer, ihre blutverschmierten Speerspitzen. Doch als sie mit ihren Traumaugen genauer hinschaute, erkannte sie, dass die Männer kein Tier jagten. Keinen Bären, kein Wildschwein, keinen Wolf, sondern ein schwarzes Wesen, das auf zwei Beinen mit gespaltenen Hufen stand, die fast menschlichen Züge wutverzerrt. Ein Dämon, mit Krallen, die an den Spitzen rot waren.
    Asmodeus.
    Im Hintergrund Flammen. Das Holz brannte.
    In ihrem Bett stöhnte und warf Meredith sich hin und her, während sie mit träumenden Händen, die schwer und schwerelos zugleich waren, gegen eine alte Holztür drückte. Auf dem Boden lag ein Teppich aus silbernem Staub, der im Mondlicht oder dem Schein des Gaslichts glänzte.
    Die Luft war still. Gleichzeitig war der Raum nicht klamm oder kalt, wie Räume, die lange leergestanden haben. Die Zeit machte einen Sprung nach vorn. Jetzt konnte Meredith wieder das Klavier hören, diesmal jedoch verzerrt. Wie die Klänge auf einer Kirmes oder von einem Karussell, bedrohlich und finster.
    Ihr Atem ging schneller. Ihre schlafenden Hände umklammerten die Bettdecke, als sie den Arm hob und nach dem kalten Metallriegel griff.
    Sie stieß die Tür auf. Trat über die Steinstufe.
    Es flogen keine Vögel auf, kein Wispern von Stimmen, verborgen, hinter der Tür. Sie stand jetzt in einer Art Kapelle. Hohe Decken, Steinplatten auf dem Boden, ein Altar und Buntglasfenster. Die Wände waren bemalt, sofort erkennbar als die Figuren von den Karten. Eine

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