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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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als ein altes Westgotengrab? Laut Baillards Buch stammte die Grabkapelle selbst aus derselben Epoche. Falls es hier auf dem Gelände einen Fluss gab, wäre er das perfekte Versteck. Für alle Augen sichtbar und doch völlig unzugänglich.
    Draußen brach das Sonnenlicht endlich doch noch durch die Wolken.
    Meredith gähnte. Ihr war leicht schwindlig von zu wenig Schlaf, aber das Adrenalin pumpte durch ihren Körper. Sie schaute auf die Uhr. Hal hatte gesagt, Dr. O’Donnell käme um zehn Uhr, also erst in über einer Stunde.
    Mehr als genug Zeit für ihr Vorhaben.
     
    Hal stand in seinem Zimmer im Personalflügel und dachte an Meredith.
    Nachdem er sie nach ihrem Alptraum so weit beruhigt hatte, dass sie wieder einschlafen konnte, war er selbst hellwach gewesen. Er wollte sie nicht wecken, indem er das Licht einschaltete, und so hatte er schließlich beschlossen, nach draußen zu schleichen und in sein eigenes Zimmer zu gehen, um vor dem Treffen mit Shelagh O’Donnell noch einmal die entsprechenden Unterlagen durchzusehen. Er wollte gut vorbereitet sein.
    Er schaute auf die Uhr. Neun. Noch eine Stunde warten, bis er Meredith wiedersah.
    Seine Fenster im oberen Stockwerk gingen nach Süden und Osten und boten eine unverstellte Sicht auf die Rasenflächen und den See hinterm Haus sowie seitlich auf die Küche und den Servicebereich. Er sah einen der Angestellten, wie er einen schwarzen Müllsack in den Container warf. Ein anderer stand dabei, die Arme gegen die Kälte verschränkt, und rauchte eine Zigarette. Sein Atem stieg in weißen Wölkchen in die klare Morgenluft.
    Hal setzte sich aufs Fensterbrett, stand wieder auf und ging durchs Zimmer, um sich ein Glas Wasser zu holen, überlegte es sich dann jedoch anders. Er war zu nervös, um still zu sitzen. Er wusste, er sollte sich keine zu großen Hoffnungen machen, dass Dr. O’Donnell ihm Antworten auf all seine Fragen geben könnte. Aber er wurde einfach das Gefühl nicht los, dass sie ihm zumindest einige neue Informationen über die Nacht, in der sein Dad gestorben war, liefern würde. Vielleicht erinnerte sie sich an irgendetwas, was die Polizei veranlassen würde, die Möglichkeit eines Verbrechens zumindest in Erwägung zu ziehen und nicht länger bloß von einem Verkehrsunfall auszugehen.
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
    Wieder sprangen seine Gedanken zurück zu Meredith. Er lächelte. Wenn das alles hier vorbei war, vielleicht hätte sie dann nichts dagegen, wenn er sie in den USA besuchen würde. Kopfschüttelnd rief er sich selbst zur Vernunft. Es war lächerlich, nach nur zwei Tagen schon in diese Richtung zu denken, aber er war seiner Sache sicher. Schon lange hatte er nicht mehr so stark für eine Frau empfunden. Noch nie.
    Und was sollte ihn denn aufhalten? Kein Job, eine leere Wohnung in London. Er konnte genauso gut in Amerika leben wie sonst wo. Er konnte tun und lassen, was er wollte. Geld wäre kein Problem. Sein Onkel würde ihn auszahlen, das wusste er.
    Falls Meredith ihn überhaupt dorthaben wollte.
    Hal trat wieder an das hohe Fenster und beobachtete das Hotelleben, das sich unten leise abspielte. Er hob die Arme über den Kopf und gähnte. Ein Wagen kam langsam die Einfahrt heraufgerollt. Er sah zu, wie eine große dünne Frau mit kurzem schwarzem Haar ausstieg und unsicher die Vordertreppe hinaufging.
    Kurz darauf klingelte das Telefon neben seinem Bett. Es war Eloise vom Empfang, die ihm sagte, dass sein Gast eingetroffen sei.
    »Was? Sie ist fast eine Stunde zu früh.«
    »Soll ich sie bitten zu warten?«, fragte Eloise.
    Hal zögerte kurz. »Nein, ist schon gut. Ich komme sofort.«
    Er nahm sein Jackett von der Stuhllehne und hastete die zwei engen Dienstbotenaufgänge hinunter. Unten angekommen, blieb er stehen, um das Jackett anzuziehen und noch rasch vom Personaltelefon aus einen Anruf zu tätigen.
     
    Meredith zog ein langärmeliges T-Shirt und Hals hellbraunen Pullover über die Bluejeans, schob die Füße in ihre Stiefel und nahm sich ihre Jeansjacke, einen Schal und ein Paar Wollhandschuhe, weil es draußen noch recht frisch sein musste. Sie hatte schon die Türklinke in der Hand, als ihr Telefon läutete.
    Sie sprang hinüber und griff zum Hörer. »Na, du?«, sagte sie, und warme Freude durchströmte sie beim Klang von Hals Stimme.
    Aber seine Antwort war knapp und sachlich. »Sie ist da.«

Kapitel 85
    W er? Léonie?«, stammelte Meredith, deren Gehirn im ersten Moment einen Aussetzer hatte.
    »Wer? Nein,

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