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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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gelesen, aber diesmal löste er eine jähe, aber diffuse Assoziation bei ihr aus. »In diesem Zeichen wirst du siegen«, murmelte sie und versuchte herauszufinden, was genau sie daran störte, aber vergeblich.
    Sie ging an der Kirchentür vorbei und auf den Friedhof. Direkt vor ihr war ein weiteres Kriegerdenkmal, dieselben Namen mit einigen wenigen Zusätzen und Unterschieden in der Schreibweise, als genügte es nicht, den Opfern nur ein einziges Denkmal zu setzen.
    Generationen von Männern, Väter, Brüder, Söhne, so viele Leben.
    Im düsteren Dämmerlicht spazierte Meredith gemächlich den Kiesweg hinunter, der an der Kirche entlang verlief, vorbei an Grabmalen, Gräbern, Steinengeln und Kreuzen. Dann und wann blieb sie stehen, um eine Inschrift zu lesen. Manche Namen wiederholten sich, Generation um Generation von einheimischen Familien, deren in Granit und Marmor gedacht wurde – Fromilhague und Saunière, Denarnaud und Gabignaud.
    An der äußersten Grenze des Friedhofs, von wo sie über das tiefe Flusstal blicken konnte, blieb Meredith wie von selbst vor einem prächtigen Mausoleum stehen, über dessen vergittertem Eingang die Worte FAMILLE LASCOMBE - BOUSQUET eingemeißelt waren.
    Sie ging in die Hocke und las im letzten Tageslicht von den Hochzeiten und Geburten, die die Familien Lascombe und Bousquet im Leben und nun auch im Tod vereint hatten. Guy Lascombe und seine Frau waren im Oktober 1864 ums Leben gekommen. Der Letzte in der Linie der Lascombes war Jules gewesen, der im Januar 1891 verstorben war. Der letzte Spross des Bousquet-Zweiges der Familie, Madeleine Bousquet, war 1955 verschieden.
    Als Meredith sich wieder aufrichtete, spürte sie das schon vertraute Prickeln im Nacken. Es hatte nicht nur mit den Tarotkarten zu tun, die Laura ihr aufgedrängt hatte, oder dem erneuten Auftauchen des Namens Bousquet, sondern da war noch etwas anderes. Etwas mit dem Datum, etwas, das sie gesehen, aber nicht richtig zur Kenntnis genommen hatte.
    Und dann wusste sie es. Immer wieder tauchte das Jahr 1891 auf, überdurchschnittlich häufig. Dieses Datum fiel ihr besonders auf, weil es eine persönliche Bedeutung für sie hatte. Es war das Datum, das auf dem Notenblatt stand. Sie sah den Titel und die Jahreszahl so deutlich vor ihrem inneren Auge, als hielte sie das Blatt in der Hand.
    Aber da war noch etwas. Sie ließ noch einmal alles Revue passieren, von dem Moment an, als sie auf den Friedhof getreten war, und dann fiel der Groschen. Es war weniger das Jahr als vielmehr der Umstand, dass sogar dasselbe Datum immer wieder auftauchte.
    Ein Adrenalinstoß durchfuhr sie, und sie eilte zurück an den Gräbern entlang, lief im Zickzack hin und her, um die Inschriften zu überprüfen, und stellte fest, dass sie recht hatte. Ihr Gedächtnis hatte sie nicht getrogen. Sie zog ihr Notizbuch heraus und notierte sich die Namen der drei, vier Menschen, deren Todesdatum gleich war.
    Alle waren am 31 . Oktober 1891 gestorben.
    Hinter ihr begann die kleine Glocke in der
cloche-mur
zu läuten.
    Meredith wandte sich um und schaute zu der beleuchteten Kirche hinüber, dann schaute sie nach oben und sah, dass die ersten Sterne am Himmel erschienen waren. Außerdem nahm sie Stimmen wahr, ein leises Murmeln. Sie hörte die Kirchentür aufgehen, und die Stimmen wurden kurz lauter, ehe die Tür wieder zufiel.
    Sie ging zurück zur Vorhalle. Jetzt waren die hölzernen Klapptische in Gebrauch. Auf dem einen lagen Geschenke – Blumen in Zellophan, Sträuße, Grünpflanzen in Terrakottatöpfen. Über den zweiten war ein dickes rotes Filztuch gebreitet, auf dem ein großes Kondolenzbuch aufgeschlagen war.
    Meredith konnte nicht widerstehen und warf einen Blick hinein. Unter dem Datum des Tages stand ein Name sowie Geburts- und Todestag: SEYMOUR FREDERICK LAWRENCE : 15 .  SEPTEMBER 1938 – 24 .  SEPTEMBER 2007 .
    Sie begriff, dass die Beerdigung gleich beginnen würde, trotz der späten Stunde. Da sie nicht mit hineingeraten wollte, ging sie hastig zurück auf dem Place de Deux Rennes, auf dem jetzt mehr los war. Leise, aber nicht geräuschlos drängten sich hier Menschen allen Alters. Männer in Sakkos, Frauen in gebügelten schwarzen Kleidern, Kinder in Anzügen und hübschen Kleidchen. Mary würde sagen, im Sonntagsstaat.
    Meredith wollte nicht wie eine neugierige Gafferin wirken und stellte sich daher etwas abseits in den Schatten der Pizzeria. Von dort sah sie zu, wie die Trauergäste zuerst für einige Minuten im Presbyterium

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