Die achte Karte
und atmete er und beobachtete sie. Irgendwie bösartig. Sie war froh, wenn sie endlich im Hotel war.
Die Reifen knirschten, als sie langsam eine lange Einfahrt entlangfuhr, die von
châtaigniers,
Esskastanienbäumen, gesäumt wurde wie von Wachposten. Auf beiden Seiten verloren sich Rasenflächen in der Dunkelheit. Schließlich, hinter einer leichten Biegung, kam das Hotel in Sicht.
Selbst nach allem, was an diesem Abend geschehen war, stockte ihr angesichts der unerwarteten Schönheit des Hauses der Atem. Das Hotel war ein eleganter dreigeschossiger Bau mit weißgetünchten Mauern, die mit flammend rotem und grünem Efeu bewachsen waren, der im Flutlicht glänzte, als wären die Blätter poliert worden. Balkone im ersten Stock und im obersten Stockwerk eine Reihe runder Fenster, die ehemaligen Dienstbotenquartiere, ein Haus mit vollkommenen Proportionen, was erstaunlich war, wenn man bedachte, dass ein Teil des ursprünglichen
maison de maître
bei einem Brand zerstört worden war. Alles sah absolut authentisch aus.
Meredith fand einen Parkplatz gleich vor dem Hotel und trug ihr Gepäck die geschwungene Steintreppe hinauf. Sie war froh, heil angekommen zu sein, obwohl sie nach dem Beinaheunfall auf der Straße noch immer ein mulmiges Gefühl in der Magengrube hatte. Und nach der Szene am Fluss.
Einfach nur müde,
redete sie sich selbst ein.
Sobald sie die großzügige und elegante Lobby betrat, fühlte sie sich besser. Der Fliesenboden hatte ein schwarz-rotes Schachbrettmuster, die zart cremefarbene Tapete war gelb-grün geblümt. Links vom Haupteingang, zwischen hohen Schiebefenstern, befand sich ein steinerner Kamin und rechts und links davon je ein Polstersofa mit aufgeschüttelten Kissen. Auf dem Feuerrost stand ein großes Blumenarrangement. Überall reflektierten Spiegel und Glas das Licht von Kronleuchtern, vergoldeten Rahmen und gläsernen Wandleuchtern.
Direkt geradeaus war eine geschwungene, große Treppe, deren Geländer auf Hochglanz poliert war und im weichen Licht des Kristallleuchters schimmerte, die Rezeption lag linker Hand und bestand nicht aus einer Empfangstheke, sondern aus einem großen glänzenden Holztisch mit Klauenfüßen. An den Wänden hingen Schwarz-Weiß-Aufnahmen und alte Sepiafotos. Männer in Militäruniformen, auf den ersten Blick eher napoleonisch als Erster Weltkrieg, Damen mit Puffärmeln und weiten Röcken, Familienporträts, Szenen aus dem Rennes-les-Bains vergangener Tage. Meredith lächelte. Da war viel Material, das sie in den kommenden Tagen überprüfen konnte.
Sie ging zur Rezeption.
»Bienvenue, Madame.«
»Hallo.«
»Willkommen in der Domaine de la Cade. Haben Sie reserviert?«
»Ja, mein Name ist Martin. M-A-R-T-I-N.«
»Sind Sie zum ersten Mal bei uns?«
»Ja.«
Meredith füllte das Anmeldeformular aus und gab die Nummer ihrer Kreditkarte an, die dritte, die sie an diesem Tag benutzte. Sie bekam einen Orientierungsplan für das Hotel und die gesamte Anlage, eine weitere für die nähere Umgebung und einen altmodischen Messingschlüssel mit einer roten Quaste und einer kleinen Scheibe, auf der der Name des Zimmers stand: La Chambre Jaune.
Sogleich spürte sie ein Prickeln im Nacken, als wäre jemand von hinten gekommen und stünde jetzt ein wenig zu nah hinter ihr. Sie nahm das Ein- und Ausatmen eines anderen Menschen wahr. Sie warf einen Blick über die Schulter.
Da war niemand.
»Das Gelbe Zimmer befindet sich im ersten Stock, Madame Martin.«
»Bitte?« Meredith wandte sich wieder der Empfangsdame zu.
»Ich habe gesagt, Ihr Zimmer befindet sich im ersten Stock. Der Fahrstuhl ist gleich da drüben«, antwortete die Frau und deutete auf ein diskretes Schild. »Oder Sie nehmen die Treppe und halten sich rechts. Um halb zehn werden im Restaurant die letzten Bestellungen angenommen. Soll ich für Sie einen Tisch reservieren?«
Meredith sah auf die Uhr. Viertel vor acht. »Ja bitte. Für halb neun?«
»Gern, Madame. Die Terrassenbar – der Eingang ist durch die Bibliothek – hat bis Mitternacht geöffnet.«
»Wunderbar. Vielen Dank.«
»Benötigen Sie Hilfe mit dem Gepäck?«
»Nein, das geht schon, danke.«
Mit einem letzten Blick nach hinten in die leere Lobby ging Meredith die Treppe hinauf in den Flur des eindrucksvollen ersten Stocks. Oben angekommen, schaute sie nach unten und bemerkte im Schatten unter der Treppe versteckt einen Boudoir Grand. Ein schönes Instrument, wie es aussah, trotz seines seltsamen Standorts. Der Deckel war
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