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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Alles wirkte dampfig und gedrückt. Meredith ging weiter, spähte in Gässchen, die scheinbar nirgendwohin führten, warf einen Blick in hellerleuchtete Fenster und gelangte schließlich wieder auf die Hauptstraße. Geradeaus war das Rathaus, über dem die Trikolore blau, weiß und rot in der Abendluft flatterte. Sie hielt sich links und fand sich unversehens auf dem Place dem Deux Rennes.
    Meredith blieb eine Weile stehen und nahm die Atmosphäre in sich auf. Rechter Hand befand sich eine nette Pizzeria mit Holztischen im Freien. Nur zwei Tische waren besetzt, beide mit Engländern. An einem unterhielten sich die Männer über Fußball und Steve Reich, während die Frauen – eine mit modisch kurzgeschnittenem schwarzem Haar, eine andere mit blondem schulterlangem Haar und die dritte mit braunem Lockenkopf – sich eine Flasche Wein teilten und den neuen Ian Rankin erörterten. An dem zweiten Tisch saß eine Gruppe Studenten bei Pizza und Bier. Einer der jungen Männer trug eine blaue, nietenbesetzte Lederjacke. Ein anderer unterhielt sich mit einem dunkelhaarigen Freund, der eine ungeöffnete Flasche Pinot Grigio zwischen den Füßen stehen hatte, über Kuba. Ein weiterer Junge saß dabei und las. Das letzte Mitglied der Gruppe, ein hübsches Mädchen mit pinkfarbenen Strähnen im Haar, bildete mit den Händen ein Quadrat, als wollte sie die Szene für ein Foto umrahmen. Meredith musste an ihre eigenen Studenten denken und lächelte im Vorbeigehen. Das Mädchen bemerkte es und lächelte zurück.
    In der hintersten Ecke des Platzes entdeckte Meredith eine
cloche-mur
mit einer einzelnen Glocke über den Dächern und erkannte, dass sie die Kirche gefunden hatte.
    Sie schritt den kopfsteingepflasterten Zugang zur Église de Saint-Celse et Saint-Nazaire hinunter. In der bescheidenden Vorhalle, die nach Norden und Süden ungeschützt den Elementen ausgeliefert war, brannte eine einzelne Deckenlampe. Es standen auch zwei leere Tische da, die seltsam deplaziert wirkten.
    An der Tafel mit Bekanntmachungen der Pfarrei gleich neben der Tür hing ein Zettel, dem zu entnehmen war, dass die Kirche täglich von zehn Uhr morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet war. Ausnahmen waren lediglich Feiertage, Hochzeiten und Beerdigungen. Aber als sie die Klinke drückte, war die Tür verschlossen, obwohl drinnen Licht brannte.
    Sie schaute auf ihre Uhr. Halb sieben. Vielleicht war sie ein paar Minuten zu spät gekommen.
    Meredith wandte sich um. An der gegenüberliegenden Wand war eine Tafel mit den Namen der Männer aus Rennes-les-Bains, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben gelassen hatten.
    A Ses Glorieux Morts.
    War der Tod denn je ruhmreich, fragte Meredith sich und dachte an ihren sepiafarbenen Soldaten. An ihre Mutter, die in den Lake Michigan gegangen war, die Taschen mit Steinen beschwert. War das Opfer es wert?
    Sie trat vor und las die alphabetische Namensliste von oben bis unten, obwohl sie wusste, dass sie hier bestimmt keinen Martin entdecken würde. Es war verrückt. Von dem wenigen, was Mary ihr an Hintergrundinformationen hatte weitergeben können, wusste Meredith, dass Martin der Nachname von Louisas Mutter gewesen war, nicht der des Vaters. Tatsächlich stand auf der Geburtsurkunde VATER UNBEKANNT . Aber sie wusste auch, dass ihre Vorfahren in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg von Frankreich nach Amerika emigriert waren, und aufgrund ihrer bisherigen Nachforschungen war sie sicher, dass der Soldat auf dem Foto Louisas Vater war.
    Sie brauchte bloß einen Namen.
    Etwas sprang ihr ins Auge. BOUSQUET stand auf der Gedächtnistafel. Wie die Tarotkarten, die im Kofferraum ihres Wagens lagen. Vielleicht dieselbe Familie? Noch etwas, das sie überprüfen sollte. Sie suchte weiter. Ganz unten auf der Tafel ein ungewöhnlicher Name: SAINT - LOUP .
    Neben der Tafel waren eine Steinplatte zur Erinnerung an Henri Boudet, Curé der Pfarrei von 1872 bis 1915 , und ein schwarzes Metallkreuz. Meredith dachte nach. Falls ihr unbekannter Soldat von hier stammte, hatte Henri Boudet ihn vielleicht gekannt. Es war immerhin eine Kleinstadt, und von den Daten her käme es ungefähr hin.
    Sie schrieb sich alles auf. Die erste Regel jeder Recherche – und die zweite und dritte – lautete: alles aufschreiben. Man wusste nie, was sich später als relevant herausstellen würde.
    Unter dem Kreuz waren die berühmten Gottesworte an Kaiser Konstantin eingraviert: »
In hoc signo vinces.«
Meredith hatte diesen Satz schon viele Male

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