Die achte Offenbarung
Pergamentseiten.
Schließlich zuckte er mit den Schultern. »Eine wirklich sichere Altersbestimmung müsste man im Labor machen, zum Beispiel mit der Radiokarbonmethode. Aber wenn du mich nach meinem Eindruck fragst, dann würde ich sagen, das Buch ist entweder tatsächlich sehr alt, oder es ist eine verdammt gute Fälschung. Ich bezweifle, dass sich jemand im 19. Jahrhundert für eine romantische Imitation die Mühe gemacht hätte, die Techniken des Mittelalters derart exakt zu kopieren.«
»Das habe ich schon vermutet.«
»Willst du, dass ich eine Altersbestimmung vornehmen lasse? Ich kenne da ein Labor, die sind auf so was spezialisiert. Das ist aber nicht ganz billig.«
»Nein, deine Einschätzung reicht mir erst mal. Eine Radiokarbonanalyse kann ich später immer noch machen lassen. Zunächst will ich versuchen, den Rest des Textes zu entschlüsseln. Vielleicht finde ich das Codewort, das der Mönch benutzt hat. Hier, dieser Absatz scheint mir auf den Kölner Dom hinzudeuten. Mit den Worten, die die alten Könige bezeugen, ist bestimmt irgendeine Inschrift gemeint.«
»Hast du schon im Internet danach recherchiert?«
»Ja, ich habe aber noch nichts Konkretes gefunden.«
»Und was willst du jetzt machen?«
»Ich fahre morgen nach Köln und sehe nach.«
Frank lachte. »Na, du bist aber wirklich hartnäckig!«
»Stell dir doch bloß mal vor, was in diesem Dokument stehen könnte!«, sagte Paulus aufgeregt. »Ich meine, dieser ganze Engelkram ist doch bloß eine moralische Rechtfertigung. Vielleicht wurde der Mönch Zeuge eines besonderen Vorkommnisses. Wer weiß, möglicherweise beschreibt er einen Mord oder ein Geheimtreffen von Kirchenfürsten. Das wäre eine wissenschaftliche Sensation!«
»Na, erwarte mal lieber nicht zu viel davon«, sagte Frank. »Das Geschreibsel klingt für mich bisher ziemlich wirr, wie die Fantasien eines altersschwachen Greises. Als historische Quelle jedenfalls nicht belastbar.«
Frank war immer der nüchterne Realist gewesen. Wahrscheinlich war er in der Versicherung ganz gut aufgehoben. Ihm würde so schnell niemand etwas vormachen, was den Wert eines Gegenstands anging. Und vielleicht hatte er recht – Paulus hatte sich von seiner Begeisterung für das Familienerbstück hinreißen lassen. Bei Licht betrachtet war das verschlüsselte Manuskript zwar alt, aber möglicherweise viel weniger bedeutend, als es seiner Großmutter und seinem Urgroßvater erschienen sein musste.
»Mag sein«, sagte er. »Trotzdem – ich muss rausfinden, was im Rest des Buchs steht! Vielleicht erfahre ich so mehr über die Geschichte meiner Familie.«
»Das stimmt natürlich. Ehrlich gesagt würde ich am liebsten mitkommen. Mir ist eigentlich egal, ob das Buch historischen Wert hat – ich finde solche Sachen einfach spannend.« Er seufzte. »Ich fürchte allerdings, Patrizia hätte dafür kein Verständnis. Halte mich aber auf jeden Fall auf dem Laufenden!«
Sie unterhielten sich noch eine Weile über das rätselhafte Manuskript, dann kam Patrizia mit ihrer Freundinnach Hause, und Paulus verabschiedete sich. Als er den Grindelberg erreichte, war es bereits Viertel nach fünf.
Im Treppenhaus blieb er abrupt stehen.
Seine Wohnungstür war angelehnt.
Hatte er vergessen, die Tür richtig zu schließen? Nein, undenkbar! Als er das Schloss genauer betrachtete, sah er, dass jemand die Tür aufgehebelt hatte.
Erschrocken betrat er die Wohnung. Es herrschte ein fürchterliches Durcheinander. Schranktüren standen offen, Schubladen waren herausgezogen, der Inhalt lag auf dem Boden verstreut.
Aus der Küche drang ein regelmäßiges Piepen. Wie in Trance folgte Paulus dem Geräusch. Es kam aus dem Kühlschrank, dessen Tür offen stand. Der gesamte Inhalt war ausgeräumt worden und stapelte sich auf der Spüle. Die Verpackungen von Pizza und tiefgefrorenem Gemüse waren nass vom aufgetauten Eis.
Er ging ins Schlafzimmer. Sein Laptop war verschwunden, ebenso der Drucker und der Fernseher. Doch Paulus war klar, dass dies kein gewöhnlicher Einbruch gewesen war. Der Mistkerl von einem Araber war wiedergekommen und hatte das Buch gesucht.
Wut stieg in ihm auf, als er das Handy hervorholte und die Polizei anrief.
Als er das Handy zuklappte, durchzuckte ihn ein eisiger Schreck. Der Brief! Er hatte ihn neben dem Laptop liegen lassen. Er rannte zu seinem Schreibtisch, durchsuchte die Schubladen, sah auf dem Fußboden nach. Doch seine Befürchtung wurde zur Gewissheit: Das einzige schriftliche Zeugnis
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