Die achte Offenbarung
Araber? Ich könnte versuchen, ein Phantombild …«
»Erstens wissen wir gar nicht, ob der Unbekannte Araber ist«, unterbrach ihn der Polizist. »Zweitens ist nicht erwiesen, dass er etwas mit dem Einbruch zu tun hat. Drittens haben wir so gut wie keine Informationen über den Mann. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nicht jedes Mal, wenn irgendwo eingebrochen wird, die Spurensicherung schicken und eine Fahndung ausschreiben können – dafür haben wir weder die Kapazität, noch wäre der Aufwand angesichts der Erfolgsaussichten gerechtfertigt. Ich rate Ihnen, noch heute Ihre Hausratversicherung über den Vorfall zu informieren und die Gegenstände als gestohlen zu melden. Außerdem sollten Sie das Schloss in der Tür auswechseln und sie durch zusätzliche Sicherungsbolzen verstärken lassen. Leider ist die Tür sehr leicht aufzuhebeln gewesen, so dass Sie es den Einbrechern unnötig leicht gemacht haben.«
»Ich? Aber … das ist eine Mietwohnung!«
»Dann wenden Sie sich an Ihren Vermieter und bitten ihn, die Türsicherungen zu verstärken. Wir informieren ihn gern über geeignete einbruchhemmende Maßnahmen. Sollte Ihnen später noch etwas einfallen, rufen Sie uns bitte an. Ansonsten melden Sie sich bitte spätestens Montag auf der Dienststelle. Auf Wiedersehen.«
Während Paulus die Wohnung aufräumte, dachte er darüber nach, was die Polizei wohl tun würde. Die Antwort war einfach: gar nichts. Sie würden bloß abwarten, bis sie irgendeinen Einbrecher auf frischer Tat ertappten, und dann versuchen, ihm auch diesen Einbruch anzuhängen. Und was hätten sie auch sonst tun sollen? Paulus sah ein, dass es naiv gewesen war, zu glauben, dass die Polizei nun Jagd auf den unbekannten Araber machen würde.
Immerhin, das Buch war in Sicherheit. Der Verlust seinesLaptops war verschmerzbar; zum Glück sicherte er seine Daten regelmäßig bei einem Onlineservice, so dass nichts von seiner Arbeit unwiederbringlich verloren war. Lediglich die Datei mit dem übersetzten Manuskripttext hatte er nicht mehr, aber er besaß noch seine handschriftlichen Aufzeichnungen und den Ausdruck, den er für Frank gemacht hatte. Das Gerät war auch nicht mehr das jüngste gewesen, und Paulus hatte schon mit dem Gedanken gespielt, sich ein neues zuzulegen – nun würde er sogar noch Geld von der Versicherung dazubekommen. Auch der Fernseher und der Drucker waren veraltete Modelle gewesen.
Der schmerzhafteste Verlust war der Brief seiner Großmutter. Warum hatte der Araber ihn mitgenommen? Auf jeden Fall war klar, dass es ihm nicht bloß darum gegangen war, das alte Buch auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Hatte es etwas mit dem Geheimnis zu tun, von dem seine Großmutter geschrieben hatte und das sich irgendwo hinter dem Code verbarg?
Er würde den Grund für den Einbruch wohl nur herausfinden, wenn er den Rest des Textes entschlüsselte. Ohne seinen Laptop und die entsprechende Software hatte er keine Möglichkeit, den Code durch statistische Analysen zu knacken. Zwar konnte er das Manuskript am Montag im Institut analysieren, aber so lange wollte er nicht warten. Morgen würde er einen frühen Zug nach Köln nehmen und versuchen, das Schlüsselwort im Kölner Dom zu finden.
Paulus bestellte einen Schlüsselnotdienst, der für sündhaft teures Geld ein neues Schloss einsetzte. Nachdem der Mann gegangen war, verriegelte Paulus die Tür zusätzlich mit der Sicherungskette und schob eine Kommode vor den Eingang.
Den ganzen Abend grübelte er darüber nach, was es mit dem Buch auf sich haben mochte. Wie war es an seine Familie gelangt? Warum hatte seine Großmutter etwas von einem Geheimnis geschrieben? Warum hatte sie nicht gewollt, dass es den Nazis in die Hände fiel? Hatte sein Urgroßvater den Inhalt gekannt? Wie hatte der Araber davon erfahren?
Irgendwann gab er auf. Wilde Spekulationen brachten ihn nicht weiter. Er nahm ein Buch über Hitlers Machtergreifung aus dem Regal und las eine Weile, um sich abzulenken. Schließlich ging er zu Bett, doch er brauchte lange, um einzuschlafen.
Mitten in der Nacht fuhr er aus dem Schlaf hoch. War da ein Geräusch gewesen? Er lauschte in die Dunkelheit, hörte jedoch nichts außer dem gedämpften, niemals ganz verstummenden Straßenlärm. Eine Zeitlang blieb er mit klopfendem Herzen liegen und versuchte, wieder einzuschlafen. Schließlich gab er auf, schaltete das Licht ein und betrat den kleinen Flur. Die Tür war unversehrt, die Kommode stand noch an ihrem Platz. Die Tür zu
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