Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die achte Offenbarung

Die achte Offenbarung

Titel: Die achte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
Vom Netzwerk:
genannt. Er hat im Internet recherchiert und mich gefunden. Dann hat er gesehen, dass ich einen Vortrag über mittelalterliche Kryptographie und das Voynich-Manuskript halte, und da ist er nach Deutschland gekommen, um mir das Buch zu geben. Er denkt, dass ich mich für Kryptologie interessiere, ist Vorsehung oder so was.«
    »Du hast einen Vortrag gehalten? Wieso hast du mir nicht Bescheid gesagt?«
    »Sorry, hab nicht dran gedacht. Ist ja auch egal, du weißt eh schon alles, was es zu wissen gibt.« Sie hatten nächtelang über das Voynich-Manuskript diskutiert, wobei Paulus seine Theorie eines fantastischen Werks gegen Franks Einwände verteidigt hatte. »Jedenfalls kam er nach dem Vortrag zu mir und hat mich zum Essen eingeladen. Gesternhat er mir dann das Buch gegeben und den Brief meiner Großmutter.«
    »Das ist aber anständig von ihm, dass er dafür extra nach Deutschland kommt!«
    »Er hat gesagt, er ist hergekommen, um die alte Heimat seines Vaters zu sehen. Er scheint ziemlich reich zu sein. Außerdem glaubt er, dass das Buch ein großes Geheimnis enthält und dass ich dafür bestimmt bin, es zu lüften.«
    »Glaubst du das etwa auch?«
    »Na ja, du kennst ja meine Einstellung zu Schicksal und so. Aber etwas ist schon seltsam an diesem Buch. Der Brief meiner Großmutter spricht tatsächlich von einem Geheimnis, und der Text, den ich bisher entschlüsselt habe, deutet auch darauf hin. Und dann war da vorhin so ein komischer Typ an meiner Haustür, sah aus wie ein Araber. Er wollte, dass ich ihm das Buch gebe. Hat behauptet, dass Lieberman ihn geschickt hätte, aber das war offensichtlich gelogen.«
    »Hm. Das klingt wirklich seltsam. Du sagtest, du hast schon einen Teil entschlüsselt? Was steht denn drin?«
    »Der Autor ist ein Mönch namens Hermo von Lomersheim. Er schreibt von Visionen, bei denen ihm ein Engel erschienen sein soll.«
    »Was denn für Visionen?«
    »Das weiß ich noch nicht genau. Ich konnte den Text nur bis zu einer bestimmten Stelle entschlüsseln. Bis dahin ist es eine einfache Substitutionschiffre. Danach hat er das Verschlüsselungsverfahren geändert. Ich vermute, dass der Rest Viginère-verschlüsselt ist.«
    »Hmm. Dem ersten Anschein nach hätte ich das Buch für älter gehalten. Aber wenn du recht hast, kann es frühestens gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstanden sein. Zu der Zeit wurde Pergament eigentlich nur noch selten verwendet.«
    »Das ist ja das Merkwürdige. Der Mönch schreibt, dass er die erste Erscheinung des Engels im Jahr 1411 hatte, und zwar vermutlich im Kölner Dom. Wenn das stimmt, müsste er es spätestens Ende des 15. Jahrhunderts geschrieben haben.«
    »Aber das Verfahren von Viginère ist erst fünfzig Jahre später veröffentlicht worden, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Ja, ich weiß. Die Methode war aber vorher schon bekannt. Vielleicht hat dieser Mönch gegen Ende seines Lebens jemanden kennengelernt, der ihm das Verfahren beigebracht hat. Vielleicht hat er auch indirekt davon erfahren. Der Text, den ich bisher entziffern konnte, liest sich allerdings ein bisschen seltsam, und mir ist noch nicht ganz klar, weshalb er sich solche Mühe gemacht hat, seine Botschaft an die Nachwelt zu verschlüsseln.«
    »Hast du den Klartext da?«
    Paulus nickte und reichte ihm einen Computerausdruck.
    Frank las schweigend. »Das klingt irgendwie … unheimlich«, sagte er schließlich. »Diese Zeitangabe am Ende scheint sich fast auf unsere Gegenwart zu beziehen.«
    »Ja, darüber bin ich auch erst gestolpert. Aber die Jahrtausendwende war im Mittelalter für viele gleichbedeutend mit dem Tag des Jüngsten Gerichts. Möglicherweise erklärt das diese Angabe. Außerdem ist sie ja ziemlich ungenau.«
    »Schon ziemlich seltsam das Ganze. Hast du mal drüber nachgedacht, ob es eine Fälschung sein könnte? Oder so ein romantischer Schabernack aus dem 19. Jahrhundert? Damals war es eine Zeitlang in Mode, das Mittelalter in pseudohistorischen Bauwerken und Dokumenten nachzuempfinden. Denk zum Beispiel an Neuschwanstein.Das würde jedenfalls den esoterischen Tonfall des Textes erklären und das komplexe Verschlüsselungsverfahren.«
    »Ehrlich gesagt bin ich genau deswegen zu dir gekommen. Ich dachte, du kannst mir vielleicht sagen, ob es tatsächlich aus dem Mittelalter stammt.«
    Frank betrachtete das Buch eingehend von allen Seiten und roch daran. Er holte eine große Lupe aus einer Schublade und studierte eine Zeitlang den Ledereinband, die Bindung und eine der

Weitere Kostenlose Bücher