Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die achte Offenbarung

Die achte Offenbarung

Titel: Die achte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
Vom Netzwerk:
ist.«
    »Klar, mach ich gerne. Komm doch einfach gleich bei mir vorbei! Patrizia ist mit einer Freundin shoppen, und ich hocke eh bloß vor dem Computer. Wäre nett, mal wieder mit dir über alte Zeiten zu plaudern! Meine Adresse hast du ja, oder?«
    »Ja. Gut, ich schätze, ich bin in einer halben Stunde da.«
    »Hast du schon was gegessen? Ich nämlich nicht. Was hältst du davon, wenn ich uns Pizza bestelle, wie in alten Zeiten? Du nimmst die 23, nehme ich an?«
    Paulus musste grinsen. »Aber ohne Anchovis!«
    »Logisch. Also bis gleich!«

6.
Hamburg, Samstag 14:17 Uhr
    Mit der S-Bahn und dem Bus brauchte Paulus etwas länger als die angekündigte halbe Stunde, bis er vor Franks Reihenhaus in Rahlstedt stand.
    Sein alter Freund begrüßte ihn grinsend. »Mensch, das ist echt schön, dich wiederzusehen! Komm doch rein!« Er betrachtete kritisch Paulus’ ergraute Schläfen. »Bist ganz schön alt geworden, Mann! Stress mit den Frauen?«
    »Nö, wieso?«, gab Paulus zurück. »Ich bin doch nicht verheiratet!«
    Frank lachte. »Du hast ja keine Ahnung! Ich meine, Patrizia und ich, das läuft wirklich super. Sie ist im fünften Monat schwanger, und wir freuen uns schon riesig auf die Kleine. Aber das Blöde am Heiraten ist, dass man zur Hochzeit noch eine Familie dazubekommt. Und die von Patrizia würde ich am liebsten gleich wieder umtauschen.«
    Er führte Paulus in das kombinierte Wohn- und Esszimmer, wo bereits zwei verführerisch duftende Pizzen warteten. Wie es sich gehörte, aßen sie direkt aus der Pappschachtel und tranken dazu Cola aus der Dose.
    Während des Essens plauderten sie über alte Zeiten und die Wendungen, die ihr Leben genommen hatte. Paulus lästerte über seinen neuen Chef, und Frank beklagte sich über das eintönige Leben eines Sachbearbeiters bei einer Versicherung.
    Nachdem sie die Pappschachteln entsorgt und das Besteck in die Spülmaschine geräumt hatten, kam Paulus endlich zum Grund seines Besuchs. Er holte das Kästchen aus seiner Tasche.
    Frank machte große Augen. Er nahm aus einer Kommode dünne Stoffhandschuhe und streifte sie über. Mit einer flachen Pinzette blätterte er vorsichtig durch die Seiten.
    »Das ist ziemlich außergewöhnlich«, sagte Frank nach einer Weile. »Woher hast du es?«
    »Ein Amerikaner hat es mir gegeben, ein Jude namens Aaron Lieberman. Er hat es im Nachlass seines Vaters gefunden. Offenbar hat es meiner Großmutter gehört.«
    »Deiner Großmutter?«
    »Ja. Sie ist im Krieg in einem Arbeitslager gestorben. Sie hat davor im Standesamt Wandsbek gearbeitet. Lieberman hat mir erzählt, dass sie seinem Vater einen gefälschten Ahnenpass ausgestellt hat, damit er seine jüdische Herkunft vor den Nazis verschleiern konnte. Als er aus Deutschland floh, hat sie ihm das Buch mitgegeben, damit er es in Sicherheit bringt. Jahrzehntelang hat es auf seinem Dachboden gelegen, bis er gestorben ist und sein Sohn es gefunden hat.«
    »Wow! Das ist ja wirklich mal eine Story! Aber woher hatte deine Großmutter das Buch?«
    »Lieberman hat mir einen Brief von ihr gegeben. Darin steht, dass sie es von ihrem Vater bekommen hat, der ein evangelischer Priester war. Es scheint sich schon seit Generationen im Familienbesitz befunden zu haben.«
    »Und du hast davon nie etwas gewusst?«
    »Nein. Mein Vater war erst zehn, als seine Mutter verhaftet wurde und mein Großvater sich kurz darauf umbrachte.«
    »O Mann, das tut mir leid.«
    »Es ist schon seltsam: Ich habe nie etwas über meine Großeltern gewusst. Und nun stellt sich heraus, dass sie insgeheim Juden geholfen und dafür mit dem Leben bezahlt haben.«
    »Mann, das musst du an die Öffentlichkeit bringen! Die beiden verdienen ein Denkmal oder mindestens einen Platz in einem Holocaust-Museum.«
    »Vielleicht. Leider gibt es keine Dokumente mehr aus dieser Zeit, die ihre Taten belegen. Die Juden, denen sie geholfen hat, sind wohl entweder doch noch umgekommen oder haben die gefälschten Dokumente bei der Einreise in die USA oder nach Israel vernichtet. Auf jeden Fall dürfte keiner mehr leben, der sie persönlich gekannt hat. Und wenn doch, wüsste ich nicht, wie ich ihn finden sollte.«
    »Hat denn das Standesamt keine Dokumente mehr aus dieser Zeit?«
    »Mein Vater hat schon alles versucht. Er wollte immer wissen, warum sie verhaftet worden war, doch alle entsprechenden Unterlagen wurden bei Kriegsende vernichtet.«
    »Wie hat denn dieser Jude dich gefunden?«
    »Sein Vater hatte ihm den Namen meiner Großmutter

Weitere Kostenlose Bücher