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Die achte Offenbarung

Die achte Offenbarung

Titel: Die achte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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allem, warum.
    Er tippte »Pius 55 Irrtümer« in die Suchmaschine ein. Als zweiter Treffer erschien ein Link zu einem Wikipedia-Eintrag mit dem Titel »Syllabus Errorum«.
    »Na bitte«, sagte Paulus, nachdem er den Eintrag überflogen hatte. »Ich hab es doch gewusst!«
    »Was hast du gewusst?«, fragte Dirk.
    »Dass das Manuskript im 19. Jahrhundert geschrieben wurde. Offensichtlich bezieht sich der Hinweis mit dem 55. Irrtum, den der fromme Papst verdammen wird, auf genau diesen Syllabus Errorum, eine Liste von 80 Thesen, die Papst Pius IX. als Irrlehren verdammt hat. Veröffentlicht hat er sie am 8. Dezember 1864.«
    »Der Texthinweis könnte auch etwas anderes meinen, oder nicht?«
    »Vielleicht. Aber wir können das leicht überprüfen.«
    »Wie denn das?«
    »Der Autor hat hinter diesem Absatz wieder eine astrologische Datumsangabe gemacht. Hier ist sie: Jupiter im Skorpion, Saturn in der Jungfrau, Mars im Stier und der Mond in den Fischen. Jetzt müssen wir nur noch schauen, ob diese Planetenkonstellation zum Datum der Veröffentlichung des Syllabus Errorum passt.«
    Er öffnete das Programm zur Berechnung der Planetenkonstellationen und gab das Datum ein. Die Konstellation stimmte exakt.
    »Und was beweist das jetzt?«
    »Das beweist, dass das Manuskript in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertes entstanden sein muss. Genau wie ich vermutet hatte: Der Autor war ein Romantiker, der ein mystisches Dokument aus dem Mittelalter nachempfinden wollte. Jemand vom Schlage eines Edgar Allan Poe oder H. P. Lovecraft vielleicht.«
    »Poe ist 1849 gestorben, soviel ich weiß, und Lovecraft hat erst Anfang des 20. Jahrhunderts Romane veröffentlicht.«
    »Ich sage ja auch nicht, dass es einer der beiden war. Der Autor muss Deutscher gewesen sein. Ich sage nur, es war jemand, der genauso vom Mystischen fasziniert war und außerdem etwas von Kryptologie verstand. Poe hat beispielsweise eine berühmte Kurzgeschichte namens ›Der Goldkäfer‹ veröffentlicht, die jeder Kryptologe kennt. Darin beschreibt er ausführlich die Entzifferung einer Geheimschrift.«
    »So wie in Arthur Conan Doyles ›Die tanzenden Männchen‹?«
    »Ja, nur dass Poe seine Geschichte viel früher verfasst hat. Es war das erste Mal, dass jemand zu Unterhaltungszwecken über Kryptographie geschrieben hat. Unser Autor hat die Geschichte wahrscheinlich gelesen und war fasziniert davon. Er hat sich mit Kryptographie und mittelalterlicher Mystik beschäftigt und dann diese vermeintlichen Prophezeiungen codiert. Garniert hat er das mit ein paar Taschenspielertricks wie dem ›Namen des Apostels‹, um den Effekt zu vergrößern.«
    »Aber das beantwortet noch nicht die Frage, was das alles soll.«
    Paulus zuckte mit den Schultern. »Menschen tun Dinge nicht immer aus logischen Gründen. Vielleicht hat der Autor das Manuskript geschrieben, um einen bestimmten Menschen zu beeindrucken, vielleicht nur für sich selbst. Es gibt viele Beispiele von Kunstwerken, die ohne einen bestimmten Zweck entstanden sind. Meiner Ansicht nach gilt das beispielsweise auch für das Voynich-Manuskript.«
    »Das was?«
    Paulus erklärte ihm seine Theorie. Er zeigte ihm einige Seiten aus dem Buch, die im Internet veröffentlicht worden waren.
    »Wenn ich es richtig sehe, dann ist das nur deine Sichtweise«, meinte Dirk. »Es scheint mir, als würden andere deutlich mehr Sinn hinter dem verschlüsselten Text vermuten als du.«
    »Natürlich. Die Leute erwarten immer irgendeine geheime Bedeutung hinter Dingen, die sie nicht verstehen. Das ist das Wesen des Aberglaubens. Es ist die Aufgabe von Wissenschaftlern, Spekulation und Interpretation beiseitezuschieben und sich nur auf die Fakten zu konzentrieren. Und die sind für mich eindeutig: Das Voynich-Manuskript ist ein Werk der Fantasie, genau wie das Manuskript dieses angeblichen Mönchs.«
    Dirk schwieg eine Weile. Schließlich sagte er: »Deine Theorie hat nur einen kleinen Schönheitsfehler.«
    »Und der wäre?«
    »Jemand will dieses ›Werk der Fantasie‹ um jeden Preis haben. Wenn du recht hättest, gäbe es dafür keinen Grund.«
    »Vermutlich glaubt er, dass das Manuskript tatsächlich eine Prophezeiung enthält.«
    »Und deswegen verfolgt er dich?«
    »Ich weiß natürlich auch nicht, was dahintersteckt.Vielleicht hat sich um dieses Buch ein religiöser Kult gebildet. Immerhin beschreibt der Autor darin Engelserscheinungen. Schon möglich, dass es Fanatiker gibt, die das alles ernst nehmen.«
    »Wenn das so ist,

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