Die Achte Suende
das Verschwinden des Kardinalstaatssekretärs ging.
Schweigend entnahm Mesomedes seinem mitgeführten Aktenkoffer einen Umschlag und zog ein halbes Dutzend großformatiger Fotografien hervor. Diese breitete er vor den anwesenden Würdenträgern auf dem Tisch aus.
»Diese Aufnahmen wurden bei einer Beerdigung auf dem Campo Verano gemacht«, kommentierte Mesomedes sein Tun. »Ich nehme an, einige der abgebildeten Personen kommen Ihnen nicht ganz unbekannt vor.«
Salzmann betrachtete eines der Fotos näher und meinte: »Das ist Kardinalstaatssekretär Philippo Gonzaga.«
Moro nahm Salzmann das Foto aus der Hand. »Ich weiß nicht, was das soll.«
»Kennen Sie noch andere Personen auf dem Bild?«, fragte der Staatsanwalt mit Nachdruck.
»Was sollen Ihre Fragen? Ich dachte, Sie überbrächten eine Nachricht über den Verbleib von Kardinalstaatssekretär Philippo Gonzaga.« Moro gab Mesomedes die Fotografie zurück und sah ihn fragend an.
Der Staatsanwalt machte ein verdutztes Gesicht: »Ich verstehe Sie nicht, Eminenza. Bei meinen Ermittlungen geht es um die Wiederaufnahme eines Verfahrens, das etwas voreilig ad acta gelegt wurde. Es handelt sich um den Tod einer gewissen Marlene Ammer, die leblos in ihrer Badewanne aufgefunden wurde. Der Obduktionsbericht erkannte auf Tod durch Ertrinken nach der Einnahme von Barbituraten.«
»Entschuldigen Sie«, unterbrach der Kardinal den Staatsanwalt, »um uns das mitzuteilen, bemühen Sie sich extra hierher?«
»Keineswegs«, entgegnete Mesomedes. »Ich würde nur gerne wissen, warum Kardinalstaatssekretär Gonzaga und andere Mitglieder der Kurie an der Beerdigung einer normalen Sterblichen teilgenommen haben. Außerdem suche ich nach einer Erklärung dafür, wie gewisse Duftspuren in den Morgenmantel der Toten gelangen konnten.«
»Junger Mann«, unterbrach Moro den Staatsanwalt mit einem abfälligen Lächeln. »Sie wollen doch nicht etwa ein Mitglied der Kurie für die Parfüms einer zwielichtigen Dame verantwortlich machen!«
»Nein, Herr Kardinal, von Parfüm kann keine Rede sein. Es handelt sich um Weihrauch!«
»Um Weihrauch?« Moro hielt erschrocken inne.
»Sogar ein ganz bestimmter Weihrauch!«, legte Mesomedes nach, »›Olibano Nr. 7‹ – wie er nur noch im Vatikan verwendet wird.«
»Dann geht es also gar nicht um das Verschwinden des Kardinalstaatssekretärs?«
»Kardinalstaatssekretär Gonzaga ist verschwunden?«
Monsignor Sawatzki nickte heftig: »Seit zwei Tagen, nach der offiziellen Visite beim Staatspräsidenten.«
Es war Kardinal Bruno Moro, der zuerst den Irrtum durchschaute und sofort reagierte, indem er die Angelegenheit herunterspielte: »Wissen Sie, Gonzaga ist ein vielbeschäftigter Mann und im Übrigen etwas eigen. Er geht bisweilen ebenso einsame wie eigenwillige Wege …«
Mesomedes nickte verständnisvoll: »Ich erinnere mich da an entsprechende Zeitungsberichte …«
»Sie meinen den Unfall Seiner Excellenza auf der Piazza del Popolo und die Tüte mit den hunderttausend Dollar.«
»Genau das!«
»Das hat sich letztendlich als Irrtum herausgestellt. Wichtiger war, dass Gott der Allmächtige Excellenza vor Schaden an Leib und Leben bewahrt hat.«
Moro nahm dem Staatsanwalt die Fotografie aus der Hand und betrachtete sie erneut. Dann gab er sie zurück und meinte: »Im Übrigen bin ich mir sicher, dass es sich bei der Person auf dem Bild nicht um Kardinalstaatssekretär Gonzaga handelt.«
»Und der?« Mit dem Zeigefinger deutete Mesomedes auf eine weitere Person.
Moro zog die Stirn in Falten, als wolle er damit seinen Blick schärfen. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Seltsam«, bemerkte Mesomedes, »als ich den Raum betrat und Sie zum ersten Mal sah, Eminenza, hätte ich schwören können, dass Sie der andere Mann auf dem Foto sind.«
»Lächerlich!« Der Kardinal zog ein weißes Taschentuch aus der Sutane und putzte sich ebenso unnötig wie geräuschvoll die Nase. Das nahm eine gewisse Zeit in Anspruch, immerhin so viel, dass der Präfekt des Heiligen Offiziums nachdenken konnte.
Als er die Zeremonie beendet und das Taschentuch in seiner Oberkleidung verstaut hatte, änderte der Kardinal den Tonfall seiner Stimme: »Ist das hier ein Verhör? Mir ist nicht bekannt, dass die Staatsanwaltschaft in Rom von der Kurie um Hilfe gebeten wurde. Sie scheinen noch etwas unerfahren zu sein in Ihrem Amt. Jedenfalls haben Sie auf vatikanischem Boden nicht die geringsten Rechte. Also packen Sie Ihre obskuren Bilder wieder ein und
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