Die Achte Suende
war sein Anblick noch viel schauriger.
Es schien, als würde der Gebrandmarkte seine Wirkung auf Malberg genießen; es vergingen endlose Sekunden, ohne dass er auch nur ein Wort von sich gab.
Warum, dachte Malberg, verhielt er sich so? Wollte er ihm Angst einjagen? Mit seinem hinterhältigen Überfall war ihm das längst auf unübertreffliche Weise gelungen. In einer Mischung aus Wut und Verzweiflung sagte Malberg mit zittriger Stimme: »Nehmen Sie doch endlich dieses verdammte Schießeisen weg. Man könnte ja richtig Angst bekommen!«
Die Worte blieben nicht ohne Wirkung. Malberg hätte nie geglaubt, dass das Brandgesicht seiner Aufforderung nachkommen und die Waffe sinken lassen würde. Und doch geschah es. Von einem Augenblick auf den anderen wurde er mutig. Er starrte den Mann schweigend an, als ob er ihn mit Blicken in Schach halten könnte.
Er
musste es gewesen sein, dachte Malberg, das Brandgesicht musste die Marchesa erschossen haben. Der Gedanke war nicht dazu angetan, seinen gerade erst gefassten Mut aufrechtzuerhalten. »Mir scheint«, sagte er, »wir sind uns bei ganz unterschiedlichen Vorhaben in die Quere gekommen. Mein Name ist übrigens Malberg, Lukas Malberg, Antiquar aus München.«
Seine Erwartung, das Brandgesicht würde ebenfalls seinen Namen nennen, erfüllte sich nicht. »Sie können Ihren Namen natürlich gerne für sich behalten«, meinte Malberg provozierend.
»Namen sind Schall und Rauch«, erwiderte der andere. »Nennen Sie mich einfach Brandgesicht. So nennen mich alle meine Freunde.« Er grinste hämisch.
Das Wort »Freunde« klang seltsam aus dem Munde dieses Mannes. Lukas konnte sich einfach nicht vorstellen, dass dieser Kerl überhaupt Freunde hatte. Er war eher der Typ, der einsam über Leichen geht.
Mit einem Mal überkam Malberg ein furchtbarer Gedanke. Verstohlen musterte er das Brandgesicht. Seine Züge hatten etwas derart Gnadenloses an sich, dass man ihm alles zutrauen konnte – auch den Mord an Marlene?
»Woher kannten Sie Marlene Ammer?«, fragte Malberg unvermittelt. Er wunderte sich selbst, woher er den Mut für diese Frage nahm. Angespannt beobachtete er jede Regung seines Gegenübers.
»Marlene Ammer? Wer soll das sein?« Einen Augenblick wirkte Brandgesicht unsicher. Eine Reaktion, die Malberg seinem Gegenüber gar nicht zugetraut hätte. »Sollte ich die Dame kennen?«
»Sie war eine Freundin der Marchesa Falconieri.«
»Warum sagen Sie war?«
»Die Marchesa ist tot.«
»Ich weiß. Ich wollte nur sehen, ob Sie es auch wissen. Für einen Antiquar, der sich mit alten Schinken befasst, sind Sie gar nicht auf den Kopf gefallen. Haben Sie Interesse«, fuhr er fort, »in meinen Deal mit der Marchesa einzusteigen?«
»Kommt darauf an, worum es sich handelt. Geht es um alte Bücher? In dem Fall ist mein Bedarf fürs Erste gedeckt.«
»Sie sagten, Sie waren bereit, zweihundertfünfzigtausend Euro für Bücher auszugeben?«
»Ohne Bedenken. Wenn es sich bei der Sammlung der Marchesa nicht um Diebesgut gehandelt hätte.«
Brandgesicht setzte ein Pokerface auf: »Ich biete Ihnen ein Geschäft mit geringerem Einsatz bei höheren Gewinnchancen an. Sind Sie interessiert?«
»Warum nicht«, erwiderte Malberg zum Schein. In Wahrheit fand das zwielichtige Angebot bei ihm nicht das geringste Interesse. Für ihn stand außer Frage, dass es sich bei Brandgesicht um einen von jenen Berufsgaunern handelte, welche zu Hunderten die römischen Vorstädte bevölkerten. Aber er musste ihn hinhalten. Zumindest so lange, bis die Zusammenhänge zwischen ihm und der Marchesa, möglicherweise sogar mit Marlene, geklärt waren.
»Haben Sie hunderttausend Dollar flüssig?«, erkundigte sich der Gebrandmarkte.
»Was heißt flüssig. In der Tasche trage ich so viel Geld nicht mit mir herum.«
»Das habe ich auch nicht erwartet. Ich meine, bis wann könnten Sie die Summe flüssig machen? Vorausgesetzt, wir kämen ins Geschäft.«
»Hören Sie, Brandgesicht, Sie reden hier über irgendwelche obskuren Transaktionen. Vergessen Sie’s. Ich mache Ihnen keine Zusagen für ein Geschäft, bei dem ich nicht einmal weiß, worum es geht. Das erscheint mir höchst unseriös. Wollen Sie mir nicht endlich sagen, worum es sich handelt?«
Brandgesicht wand sich wie eine Schlange während der Häutung. Der Mann, der ihm eben noch Todesangst eingejagt hatte, fühlte sich in die Enge getrieben: »Das kann man nicht so einfach in ein, zwei Sätzen sagen«, meinte er. »Es ist eine Angelegenheit, in
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