Die Achte Suende
brechen wir ab und suchen nach einer anderen Möglichkeit. Denk daran, hier geht es erst in zweiter Linie um die Marchesa. In erster Linie interessiert uns Marlene Ammer.«
Malberg nickte abwesend. Ihm ging vieles durch den Kopf. Zwischen Marlene und der Marchesa musste eine Verbindung bestanden haben, die über ihre persönliche Beziehung hinausging.
»Weißt du eigentlich«, begann Lukas vorsichtig und räusperte sich, »dass die Marchesa an Marlene als Frau interessiert war?«
»Was soll das denn heißen?«
»Ich meine, sexuell interessiert!«
»Die Marchesa eine Lesbe? Wie kommst du darauf?«
»Nun ja, als ich bei der Marchesa war, um ihre Büchersammlung zu begutachten, die sich inzwischen als Diebesgut herausgestellt hat, da konnte ich zufällig einen Blick in ihr Schlafzimmer werfen. Über ihrem Bett hingen aufregende Fotos ...«
»...von Marlene!«
»In der Tat. Marlene in verführerischen Posen, in Korsage und mit Strapsen und schwarzen Strümpfen.«
Barbieri pfiff leise durch die Zähne.
»Und was ist mit Marlene Ammer? War die auch lesbisch?«
»Das kann ich mir schwer vorstellen. Denn in Marlenes Wohnung entdeckte ich Bilder, die sie zusammen mit einem Unbekannten zeigen, einem Mann, wohlgemerkt!«
»Das hat nichts zu sagen«, erwiderte Giacopo forsch. »Selbst einem deutschen Antiquar dürfte nicht entgangen sein, dass es Frauen gibt, die sowohl Frauen als auch Männer lieben.«
Malberg nahm die Spitze zur Kenntnis, ohne darauf einzugehen.
»In Italien«, fuhr Barbieri fort, »begegnet man der Homosexualität übrigens mit weit weniger Toleranz als in Deutschland.«
»Das ist aber noch lange kein Mordmotiv!«
Barbieri hob die Schultern. »Wirrköpfe gibt es überall. Vielleicht läuft irgendwo da draußen ein Verrückter herum.«
Kapitel 35
Kardinal Bruno Moro schüttelte den Kopf, und mit seiner tiefen Stimme polterte er los: »Gonzaga, immer wieder Gonzaga! Nur Gott, der Herr, weiß, welch harte Prüfung er uns mit diesem Kardinalstaatssekretär auferlegt hat!« Wütend richtete sich der hünenhafte Mann mit dem rötlichen Kraushaar in seinem Sessel auf.
Seit Stunden konferierte Moro, Leiter des Heiligen Offiziums, mit Salzmann, dem Prosekretär für das Bildungswesen, und Sawatzki, dem Präfekt des Rates für öffentliche Angelegenheiten der Kirche, über das weitere Vorgehen. Das Verschwinden von Kardinalstaatssekretär Philippo Gonzaga und seinem Sekretär Giancarlo Soffici nach ihrer Visite beim Staatspräsidenten unterlag strengster Geheimhaltung.
Während Frantisek Sawatzki dringend dazu riet, die römische Polizei einzuschalten, lehnten Archibald Salzmann und Kardinal Moro den Vorschlag ab. Vor allem Moro fürchtete einen Skandal, wenn sich herausstellen sollte, dass Gonzaga wieder einmal einen seiner berühmten Alleingänge unternommen hatte.
Die Tatsache, dass Gonzaga sich, entgegen sonstiger Gewohnheit, von seinem Sekretär Soffici und nicht von seinem Fahrer Alberto chauffieren ließ, hatte bereits üble Verdächtigungen ausgelöst, bis sich schließlich herausstellte, dass Alberto mit einer Grippe darniederlag, also unabkömmlich war für den dienstlichen Auftrag.
Das Gemälde des heiligen Borromäus fest im Blick, entschied Kardinal Moro nach über dreistündiger Debatte, bis sechs Uhr früh am nächsten Morgen zu warten. Sollten Gonzaga und sein Sekretär bis dahin nicht aufgetaucht sein, würde die Polizei eingeschaltet und eine Großfahndung eingeleitet werden.
Er war mit seinen Ausführungen kaum zu Ende, da betrat sein Privatsekretär Monsignor Abate den Raum und wollte dem Kardinal etwas ins Ohr flüstern.
»Sie können ruhig laut sprechen, Monsignore!«, ereiferte sich Moro. »Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Kurie gibt es bei mir keine Geheimnisse.«
Da sagte der Sekretär: »Eminenza, draußen steht ein Staatsanwalt. Er wünscht ein ranghohes Mitglied der Kurie zu sprechen.«
Moro, Sawatzki und Salzmann sahen sich betroffen an. Obwohl jeder von ihnen einen anderen Gedanken fasste, dachte letztendlich jeder das Gleiche: Das bedeutet nichts Gutes.
»Bitten Sie den Staatsanwalt herein!«, wandte sich Moro an seinen Sekretär, und dabei machte er eine gnädige Handbewegung.
»Mein Name ist Achille Mesomedes von der Staatsanwaltschaft Roma uno«, stellte sich der junge Staatsanwalt vor.
Moro, Sawatzki und Salzmann nannten ebenfalls ihre Namen und ihre Funktion in der Kurie.
»Was führt Sie zu uns?«, fragte der Kardinal, obwohl er ahnte, dass es um
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