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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Wurst und Schinken bestellt«, polterte Gonzaga los, »und was bringen Sie mir, Monsignore? Schinken!«
    »Aber heute ist weder Freitag noch ein anderer Tag, an dem die Gesetze der Kirche Enthaltsamkeit vom Fleische fordern. Die Nonnen meinten, Sie müssten wieder zu Kräften kommen, Excellenza!«
    »So, so. Meinten die Nonnen.« Der Kardinalstaatssekretär nahm einen Briefumschlag mit dem päpstlichen Wappen von seinem Schreibtisch, und mit bloßen Fingern begann er eine Scheibe Schinken nach der anderen in den Umschlag zu stecken. Als der Teller geleert war, benetzte Gonzaga den Umschlag mit den Lippen, klebte ihn zu und reichte ihn dem verdutzten Monsignore mit den Worten: »Die alten Damen sollen sich gefälligst um ihre eigene Gesundheit kümmern. Sagen Sie ihnen das!«
    Abate machte eine artige Verbeugung, so als habe man ihm soeben das Missale zur Morgenmesse gereicht und nicht einen Briefumschlag mit fünf Scheiben Schinken. Dann verschwand er ohne jedes weitere Wort auf demselben Weg, auf dem er gekommen war.
    Kardinalstaatssekretär Philippo Gonzaga konnte sich nicht erinnern, in seiner klerikalen Laufbahn jemals die Fensterladen seiner Unterkunft eigenhändig geöffnet zu haben. Im Apostolischen Palast war das Sache der Nonnen wie Staubwischen und Bettenmachen. Aber an diesem Morgen öffnete Gonzaga persönlich die hohen Läden des mittleren Fensters seines Apartments. Dann fiel er hungrig über das Frühstück her, welches, trotz Zurückweisung des Schinkens, noch üppig genug ausfiel: vier Rühreier im Silbergeschirr, drei Sorten Käse, Honig und drei Marmeladen, zwei Panini, dazu Schwarz-und Weißbrot, ein Schüsselchen mit Griesbrei, angereichert mit Rosinen und Nüssen, eine Henkeltasse Dickmilch und eine Kanne English-Breakfast-Tea.
    Mit dem Studium der Morgenzeitungen nahm das Frühstück des Kardinalstaatssekretärs für gewöhnlich eine Dreiviertelstunde in Anspruch. Doch an diesem Morgen endete es schon nach zwanzig Minuten abrupt und ohne dass Gonzaga sich seinem Griesbrei zugewandt hatte.
    Im Lokalteil des
Messagero
stieß der Kardinal auf folgende Meldung:
    Unbekannte Leiche
in der Fontana di Trevi
    Rom. – Bei seinem Rundgang entdeckte der Brunnenmeister Carlo di Stefano gestern gegen sechs Uhr morgens in der Fontana di Trevi, dem täglichen Ziel von Tausenden Touristen, im Wasser treibend eine unbekannte männliche Leiche. Der etwa fünfzigjährige Mann trieb mit ausgebreiteten Armen und dem Gesicht nach unten im Wasser. Nach ersten Ermittlungen muss der Mann zwischen zwei Uhr nachts und sechs Uhr morgens zu Tode gekommen sein. Bisher konnte nicht festgestellt werden, ob der Unbekannte unter Alkoholeinfluss in den Brunnen gestürzt und ertrunken ist oder ob ein Verbrechen vorliegt. Die Leiche wurde zur Obduktion ins Gerichtsmedizinische Institut der Universität gebracht. Die Polizei bittet um sachdienliche Hinweise.
    Gonzaga sprang auf und stürzte zum Telefon: »Alberto? Fahren Sie den Wagen vor. Ich muss umgehend zum Gerichtsmedizinischen Institut der Universität. Aber schnell.«
    Fünfzehn Minuten später war der Kardinal auf dem Weg in die Pathologie. Wie stets saß Gonzaga rechts auf dem Rücksitz, und wie stets verlief die Fahrt schweigsam. Der Kardinalstaatssekretär hasste die Autofahrerei wie andere Menschen das Fliegen. Den Verkehr in Rom verurteilte er gar als Teufelswerk, weil er ihm selbst an kalten Januartagen den Schweiß auf die Stirn trieb. Der unverschuldete Unfall auf der Piazza del Popolo und die Entführung vor wenigen Tagen schienen ihm recht zu geben. Trotzdem konnte er sich dieser Art von Beförderung nicht entziehen.
    Vom Auto aus telefonierte Gonzaga mit dem Leiter der Pathologie, Dottor Martino Weber. Er deutete an, dass er eventuell zur Identifizierung des unbekannten Toten beitragen könne. Seit mehreren Tagen sei sein Privatsekretär Giancarlo Soffici spurlos verschwunden.
    Bei seiner Ankunft wurde der Kardinalstaatssekretär schon erwartet. Der Pathologe führte Gonzaga in das Souterrain. Gonzaga hatte Mühe, seine Gedanken in Zaum zu halten. Er hatte diesen Soffici nicht gerade geliebt, wenn er ehrlich war, hatte dieser ihn bisweilen ziemlich genervt, obwohl er blitzgescheit und bibelfest war wie kein Zweiter. Aber Soffici war der Typ des Losers, des ewigen Verlierers, und davon hatte die Kirche bei Gott genug. Von Adam bis Petrus – sogar die Bibel strotzte nur so von Verlierern.
    In einem weiß gekachelten Raum, nahezu alle Räume im Untergeschoss waren

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