Die Achte Suende
ausziehen und sich ein angemessenes Hotel suchen.
Mitten in die Langeweile zwischen Rührei mit Schinken und einem Brötchen mit Himbeergelee meldete sich Caterina am Mobiltelefon, um ihm mitzuteilen, wie sehr sie ihn liebe. Am frühen Morgen tut so etwas immer gut.
Während sie über Belangloses redeten, schweifte Malbergs Blick über das hektische Treiben im Flughafengebäude. Dabei fiel ihm ein Pilot in schicker Uniform, begleitet von vier Stewardessen, ins Auge. Im Näherkommen begegneten sich ihre Blicke. Malberg zog die Stirn in Falten.
Der Pilot blieb stehen.
»Lukas?«, sagte er fragend.
»Max?«, erwiderte Malberg ungläubig und beendete das Telefongespräch. Er hatte seinen Schulfreund Max Sydow in ganz anderer Erinnerung. Beim letzten Klassentreffen war er als Einziger in Jeans und Lederjacke aufgetreten – zum Unwillen manchen Anzug-Trägers. Jetzt trug er eine tadellos sitzende Uniform mit vier Streifen, dazu ein weißes Hemd mit dunkelblauer Krawatte.
»Wie klein ist die Welt!«, rief Sydow aus, während sie sich in die Arme fielen. »Was treibt dich hierher nach Rom?«
»Ach, das ist eine lange Geschichte.«
»Und eine nicht gerade intelligente Frage. Was wird ein kulturbeflissener Mensch wie du schon in Rom suchen!« Sydow blickte auf die Uhr, dann wandte er sich den Stewardessen zu und meinte, sie sollten vorausgehen. Er komme in fünf Minuten nach.
»Ich bin auf dem Sprung nach Kairo«, berichtete Sydow. »Mein Airbus A320 wird gerade vorgeheizt. Und du bist wieder auf dem Rückflug nach München?«
Malberg nickte. »Ich will nur in München kurz nach dem Rechten sehen. Übermorgen bin ich wieder zurück in Rom.«
»Lebst du hier? – Beneidenswert. Ich wohne noch immer in Frankfurt.«
»Nein, so ist es nicht«, entgegnete Malberg. »Wenn du so willst – ich bin hier in Rom aufgrund gewisser Umstände hängen geblieben.«
»Ich verstehe, Lukas Malberg, der Einzelgänger, der immer mit Büchern mehr anzufangen wusste als mit Frauen, hat sich in eine feurige Römerin verliebt. Gratuliere, wie heißt sie, kenne ich Sie?«
Malberg lächelte. Max war immer noch derselbe Hau-Ruck-Typ wie früher. Und was Frauen anging, na ja.
»Caterina«, sagte er, »sie heißt Caterina, ist Journalistin. Und solltest du ihr je begegnet sein, würde ich das zum Anlass nehmen, dir die Zähne einzuschlagen.«
Die beiden lachten übermütig.
»Aber im Ernst«, nahm Malberg seine Rede wieder auf, »Caterina ist nicht der einzige Grund, warum ich mich schon seit zehn Wochen in Rom aufhalte. Es ist wegen Marlene.«
»Marlene Ammer? He, du hast doch nicht etwa an Marlene Feuer gefangen. Sieh einer an: Lukas, dem man das am allerwenigsten zugetraut hätte, vergnügt sich mit zwei Frauen gleichzeitig. Ich muss aber auch sagen, toll, wie sich Marlene rausgemacht hat. Gegen früher! Erinnerst du dich noch an ihre selbstgestrickten scheußlichen Pullover, mit denen sie in die Schule kam?«
»Max!«, versuchte Malberg den Schulfreund zu bremsen. »Marlene ist tot.«
»Red keinen Unsinn!«, sagte Sydow und sah Malberg entsetzt an. »Das kann doch nicht sein«, meinte er schließlich kleinlaut. »Ein Unfall?«
»Marlene lag tot in der Badewanne.«
»Herzinfarkt!«
Malberg schüttelte den Kopf. »Es gibt Anzeichen dafür, dass sie ermordet wurde.«
Sydow blickte nervös auf die Uhr. Er war spät dran. Trotzdem ließ er sich an Malbergs Tisch nieder. »Aber das ist ja furchtbar«, sagte er leise. »Und wurde der Täter gefasst?«
»Nein. Man hat nicht einmal intensiv nach dem Mörder gesucht.«
»Was soll das heißen?«
»Das Verfahren wurde eingestellt. Das Ganze ist eine sehr mysteriöse Geschichte. Marlene wurde in aller Heimlichkeit auf dem Cimitero beerdigt. Aber nicht als Marlene Ammer, sondern namenlos. Inzwischen wurde ein Grabstein angebracht mit dem rätselhaften Namen Jezabel und einem Spruch aus der Geheimen Offenbarung: ›Fürchte dich nicht vor dem, was du zu leiden hast.‹«
»Das klingt ja unheimlich!«
»Dabei ist das noch nicht alles. Bei der heimlichen Beerdigung waren eine Abordnung der Kurie anwesend und mindestens zwei Kardinäle. Und Marlenes Wohnung in der Via Gora ist zugemauert. In der Wohnung der Hausbeschließerin hausen fromme Nonnen, die noch nie von einer Hausbewohnerin Ammer gehört haben wollen. Und Marlenes beste Freundin, eine Marchesa, wurde vor ihrem Haus auf offener Straße erschossen.«
»Lukas, du versuchst aber nicht, mir einen Bären aufzubinden?« Sydow machte
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