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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Unbekannten ging ihm nicht aus dem Kopf.

Kapitel 48
    Seit seiner geheimnisumwitterten Entführung war Kardinalstaatssekretär Philippo Gonzaga äußerst unzugänglich. Er haderte mit Gott und der Welt. Mit Rücksicht auf seine angeschlagene Gesundheit weigerte er sich, entgegen sonstiger Gewohnheit, in der Sixtinischen Kapelle die Frühmesse zu zelebrieren.
    Auch an diesem Morgen brütete Gonzaga an seinem Schreibtisch vor sich hin, eingerahmt von Aktenbergen, die sich inzwischen angesammelt hatten. Seit Sofficis Verschwinden war Gonzaga erst bewusst, was er an seinem Privatsekretär hatte. In solchen Augenblicken bereute er es fast ein wenig, wie schlecht er den Monsignore manchmal behandelt hatte.
    Das Telefon auf seinem Schreibtisch summte. Mürrisch hob er ab: »Ja?«
    »Ist dort das Büro des Kardinalstaatssekretärs?« Eine resolute weibliche Stimme.
    »Wer spricht?«
    »Hier ist das Büro des Polizeipräsidenten.«
    »Worum geht es?«
    »Der Polizeipräsident würde gerne beim Kardinalstaatssekretär vorsprechen. Die Angelegenheit ist dringend.«
    »Hier
spricht
der Kardinalstaatssekretär!«
    Die resolute Stimme schien verwundert, dass sie den Kardinalstaatssekretär so ohne Weiteres in der Leitung hatte. »Excellenza, wäre es Ihnen möglich, den Polizeipräsidenten noch heute zu empfangen? Es geht um Ihren Sekretär Giancarlo Soffici.«
    »Soll kommen!«, bellte Gonzaga ins Telefon. »Am besten gleich nach dem Angelus!«
    Zwar hatte die resolute Vorzimmerdame des römischen Polizeipräsidenten Abitur, die in der Kurie üblichen klerikalen Zeitangaben waren ihr jedoch fremd. Trotzdem genierte sie sich, den Kardinalstaatssekretär nach der säkularisierten Uhrzeit des Treffens zu fragen, in der Hoffnung, der Polizeipräsident von Rom würde sich gewiss einen Reim machen auf die seltsame Zeitangabe.
    Tatsächlich traf der dunkle Lancia des Polizeipräsidenten, flankiert von zwei Carabinieri auf Motorrädern, kurz nach elf am Eingang zum Cortile di San Damaso ein. Zwei Schweizer Gardisten geleiteten den Besucher zu Gonzagas Büro im vatikanischen Palast.
    Antonio Canella, der Polizeipräsident, ein würdevoller, wohlgenährter Beamter der höchsten Gehaltsstufe, trug einen schwarzen Anzug und obendrein schwer an der Last seines fülligen Leibes, als er den Gardisten über die breiten, nicht enden wollenden Marmorstufen in das dritte Stockwerk folgte. In seiner Rechten führte er einen schwarzen Aktenkoffer mit sich.
    Links und rechts neben dem Eingang zum Vorzimmer des Kardinalstaatssekretärs nahmen die beiden Uniformierten Haltung an. Wie es der Vorschrift entsprach, blickten sie streng geradeaus, als Canella klopfte und, ohne auf Antwort zu warten, eintrat.
    Die Tür zu Gonzagas Büro stand offen, als sei der Kardinalstaatssekretär abwesend. Aber auf ein heftiges Räuspern des Polizeipräsidenten erschien Gonzaga wortlos im Türrahmen. Stumm hielt er Canella den Ring an seiner ausgestreckten Rechten entgegen. Der Polizeipräsident, gut einen Kopf kleiner als der Kardinal, konnte nicht anders, als einen Kuß des Kardinalsrings anzudeuten.
    Canella, dessen kritische Haltung gegenüber der Kurie bekannt war, empfand diese Ringküsserei als ziemlich albern. Doch weil er in offizieller Mission unterwegs war, konnte er sich keinen Eklat leisten. Mit einer überschwänglichen Armbewegung, die den gesamten Vorraum beschrieb, stellte Canella an Gonzaga die umständliche Frage: »Ist das sozusagen das Arbeitszimmer von Giancarlo Soffici, Ihrem Sekretär?«
    »Was ist mit Soffici? Haben Sie ein Lebenszeichen von ihm?«, fragte der Kardinalstaatssekretär aufgebracht.
    Canella machte ein betroffenes Gesicht wie ein schlechter Schauspieler, dem man seine Rolle nicht abnimmt. Er erwiderte: »Monsignor Soffici ist tot. Es tut mir leid, Excellenza.« Dazu verneigte er sich mit unverkennbarem Widerwillen.
    »Man hat ihn umgebracht«, zischte Gonzaga. Sein Tonfall war eher von Wut als von Trauer geprägt. »Wo wurde er gefunden?«
    »Die Antwort wird Sie vermutlich überraschen, Excellenza. Aber ich bin sicher, Sie haben eine Erklärung dafür. Monsignor Soffici kam bei einem Autounfall in Deutschland ums Leben ...« Canella klappte seinen Aktenkoffer auf und entnahm ihm ein Fax. »In der Nähe einer Burg am Rhein. Die Burg heißt Layenfels!«
    Gonzaga ließ sich auf einem Stuhl nieder und deutete mit einem Fingerzeig an, auch Canella solle sich setzen.
    Mit kritischem Blick beobachtete der Polizeipräsident jede Regung in

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