Die Achte Suende
Geruch des Laubwaldes mischte sich der Gestank von ausgelaufenem Öl und Benzin.
Bei seiner Amokfahrt hatte das Automobil eine Schneise in die Landschaft gepflügt. Fahrzeugtrümmer lagen dreißig Meter weit verstreut.
Die drei Männer schienen überaus gefasst, als sie an der Unfallstelle eintrafen. Einer von ihnen war Anicet.
Während sich die beiden Jüngeren dem zertrümmerten Fahrzeug vorsichtig näherten, so als hätten sie Angst, das Wrack könnte explodieren, ermunterte Anicet die beiden: »Keine Angst, Jungs, verunglückte Autos explodieren nicht, sie brennen höchstens. Solche Szenen gibt es nur im Fernsehen!«
Vorsichtig spähte Anicet in das Innere des Wagens oder das, was von dem Auto übrig geblieben war. Es hatte sich wie ein Krake um die Eiche gewickelt. Mit dem Absatz trat Anicet die linke Seitenscheibe ein, die bis auf einen Sprung quer über das Fenster heil geblieben war.
»Da ist nichts mehr zu machen!«, bemerkte er kühl, als er Soffici erkannte. Dessen Kopf lag, bizarr zur Seite verdreht, auf dem explodierten Airbag. Aus Mund und Nase rann dunkles Blut. »Armes Schwein«, kommentierte Anicet den furchtbaren Anblick. Es klang, als empfände er wirklich Mitleid.
»Wir sollten die Polizei rufen«, sagte einer der jungen Begleiter und zog sein Mobiltelefon aus der Tasche.
»Das eilt nicht«, entgegnete Anicet, »helfen Sie mir, den Mann aus dem Wrack zu ziehen.«
Mit vereinten Kräften versuchten sie die klemmende Wagentür zu öffnen. Aber so sehr sie sich auch anstrengten, der Versuch misslang. Schließlich tauchte Anicet mit dem Oberkörper in das Autowrack ein. Über Sofficis Leiche hinweg arbeitete er sich auf den Beifahrersitz vor. Dort, auf dem zerbeulten Boden, lag, was er suchte: das Päckchen und der Umschlag.
Aus dem Wrack herauszukommen war nicht weniger beschwerlich. Als er es endlich geschafft hatte, blickte Anicet angewidert an sich herab: Er war über und über mit Blut verschmiert.
Wie einen kostbaren Schatz umklammerte er das winzige Paket mit beiden Händen. Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. Eine Mischung aus Schweiß und Blut, die über sein Gesicht rann, verlieh ihm ein teuflisches Aussehen.
»Gute Arbeit«, brummte er und warf den beiden Helfern einen anerkennenden Blick zu.
Die jungen Männer wandten sich um und machten Anstalten, auf die Burg zurückzukehren.
»Augenblick!«, mahnte Anicet und zog aus der Hosentasche eine Schachtel Streichhölzer hervor. Er entfachte ein Zündholz und warf es in den demolierten Motorraum des Fahrzeugs, aus dem Benzin tropfte. Im Nu stand das Auto in Flammen.
Dann wandte er sich den Männern zu: »Also, gehen wir!«
Nach ein paar Schritten blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. Die Flammen schossen fünf, sechs Meter hoch und verursachten eine schwarze Rauchwolke.
»Der Monsignore glaubte«, sagte er leise, »ich würde ihm mir nichts, dir nichts eine viertel Million Dollar in den Rachen werfen.« Er schwenkte das Päckchen über den Kopf. »Für dieses lächerliche kleine Paket! Er muss wohl gewusst haben, wie bedeutsam das kleine Stück Stoff für uns ist.«
»Sollte ich jetzt nicht endlich die Polizei rufen?«, erkundigte sich der eine der beiden Männer.
Anicet hob die Schultern und antwortete: »Meinetwegen.«
Kapitel 46
Die Nachricht kam von Staatsanwalt Achille Mesomedes, und sie kam völlig überraschend. Es war morgens kurz nach neun. Caterina hatte gerade mit wohligen Erinnerungen geduscht, da klingelte das Telefon. Der Staatsanwalt machte ihr die Mitteilung, der Haftbefehl gegen Malberg sei aufgehoben, die Ermittlungen seien eingestellt.
Caterina war verblüfft und erleichtert zugleich.
»Das ist wirklich eine gute Nachricht«, erwiderte Caterina, während das Wasser aus ihren Haaren tropfte. »Allerdings habe ich Sie schon einmal gebeten, Ihre Anrufe zu nachtschlafender Zeit zu unterlassen. Sie haben mich gerade unter der Dusche erwischt.«
Mesomedes lachte. »Was meine ungehörige Zeit anzurufen betrifft, entschuldige ich mich, Signorina. Ich vergaß, dass
mein
Tagesablauf ein anderer ist als der Ihre. Verzeihen Sie. Aber der frühe Vogel fängt den Wurm. Das gilt vor allem für einen kleinen Staatsanwalt. Was jedoch Ihre frühere Aussage zu Malberg betrifft, Sie hätten ihn nur einmal gesehen und er halte sich wahrscheinlich im Ausland auf, so halten Sie mich hoffentlich nicht für so dämlich, dass ich Ihnen glaube. Ich habe Hinweise, dass Malberg sogar noch in Rom ist. Aber wie dem auch
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