Die Achte Suende
Gonzagas Gesicht. Er sah, wie es in ihm arbeitete. Gonzaga schien überrascht, aber keineswegs erschüttert. Auch Sofficis Todesort schien bei ihm keine Fragen aufzuwerfen.
»Haben Sie eine Erklärung, was der Monsignore auf ...« - er las von dem Papier in seiner Hand ab - »Burg Layenfels wollte?«
Gonzaga wurde unsicher. »Monsignor Soffici war in dienstlichem Auftrag unterwegs«, erwiderte er schließlich.
»Auf einer Burg am Rhein?«
»Was geht Sie das an?«, fuhr Gonzaga dem Polizeipräsidenten über den Mund. »Burg Layenfels«, log er, »ist der Sitz einer christlichen Bruderschaft, die von der römischen Kurie unterstützt wird. Die Brüder in Christo arbeiten an einem wissenschaftlichen Forschungsauftrag der Kirche.«
Canella nickte, als gäbe er sich mit der Antwort zufrieden. »Dann dürfte wohl auch geklärt sein, warum Soffici mit Ihrem Dienstwagen unterwegs war, Excellenza.«
»Mit meinem Dienstwagen? Der Wagen ist seit geraumer Zeit abgängig!« Gonzaga blickte betroffen. Er hatte sich schlichtweg verplappert, versuchte jedoch umgehend den Fehler wiedergutzumachen, indem er sagte: »Wenn ich stark nachdenke, dann kommt mir die Erinnerung, dass mein Sekretär mich darum gebeten hat, meinen Mercedes benützen zu dürfen. Ja, jetzt erinnere ich mich deutlich!«
In Wahrheit war Gonzaga verzweifelt bemüht, sich einen Reim darauf zu machen, unter welchen Umständen Soffici mit seinem seit der Entführung verschwundenen Dienst-Mercedes nach Burg Layenfels gelangt sein mochte.
Als er Canellas fragenden Blick auf sich gerichtet sah, wurde er verlegen. »Unser Verhältnis, müssen Sie wissen, war nicht das beste«, meinte er. »Giancarlo war manchmal sehr eigenwillig. Anders gesagt, die Rechte wusste bisweilen nicht, was die Linke tat.«
»Ich verstehe«, antwortete Canella, obwohl er nicht im Geringsten verstand, was da eigentlich vor sich ging. »Dann finden Sie gewiss auch keine Erklärung, warum an Ihrem Dienst-Mercedes gefälschte deutsche Nummernschilder angebracht waren.«
»Gefälschte Nummernschilder? Das ist unmöglich!«
»Excellenza, glauben Sie, unsere deutschen Kollegen haben die Geschichte erfunden, um sich wichtig zu machen?« Canellas Mondgesicht lief dunkelrot an. Sichtlich erregt wühlte er in seinem Aktenkoffer und zog eine Klarsichtfolie mit einem angesengten Etwas hervor, unschwer als Reste eines Passes erkennbar. »Und natürlich wissen Sie auch nicht, warum Ihr Sekretär diesen Reisepass in seiner Kleidung trug. Er ist ausgestellt auf den Namen Frederico Garre, jenem Garre, der vor wenigen Tagen tot in der Fontana diTrevi schwamm. Excellenza, ich glaube, Sie sollten Ihre Blockadehaltung aufgeben und mit der Wahrheit herausrücken!«
Da begann der Kardinalstaatssekretär zu toben: »Bin ich der Hüter meines Sekretärs?« Soffici, dachte er, hätte seinen Ausspruch gewiss mit dem Hinweis quittiert: i. Buch Mose, 4. Kapitel.
Umso mehr war Gonzaga verblüfft, als der Polizeipräsident das Zitat aufnahm und weiterführte: »Horch, deines Bruders Blut schreit zu mir vom Erdboden empor!«
Der Kardinalstaatssekretär wollte Canella gerade anerkennende Worte zollen für seine Bibelfestigkeit, da kam ihm die Bedeutung des Zitats in den Sinn. »Sie glauben also«, erkundigte er sich vorsichtig, »dass Soffici ein gewaltsames Ende fand? Kennen Sie die näheren Umstände des Unfalls?«
Canella blieb die Antwort schuldig und vertiefte sich in ein weiteres Blatt aus seinem Aktenkoffer.
»Augenblick«, meinte er, als er Gonzagas Ungeduld bemerkte. Dann antwortete er: »Der Unfallbericht unserer deutschen Kollegen stützt sich auf zwei Erkenntnisse. Zum einen auf die Aussage eines Mitglieds der Bruderschaft, die auf dieser Burg haust. Der Mann will vom Torturm aus gesehen haben, dass der Wagen auf einer Steilstrecke anhielt und plötzlich rückwärtsrollte, bis er sich überschlug und brennend in ein Waldstück krachte. Zum anderen hat die kriminaltechnische Untersuchung ergeben, dass die Fahrzeugbremsen nicht funktionierten. Ob eine Manipulation den Unfall verursacht hat, konnte bisher nicht geklärt werden. Das Wrack ist beinahe vollständig ausgebrannt.«
Noch während Canellas Erklärungen summte auf Gonzagas Schreibtisch das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Beat Keller, der Sicherheitschef des Vatikans und Leiter der Schweizer Garde, jener Söldnertruppe, die seit Julius II. über die Geschicke des Papstes und die Sicherheit im Vatikan wacht.
Keller, ein
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