Die Achte Suende
Moment. »Woher wollen Sie das wissen?«, fragte sie misstrauisch.
Malberg schwieg verlegen. Er hatte das ungute Gefühl, sich immer mehr in eine Sache zu verstricken, mit der er eigentlich nichts zu tun hatte. In seiner Linken hielt er den Zettel mit Marlenes Telefonnummern. Darunter stand die der Marchesa. In der Aufregung hatte er die beiden offenbar verwechselt.
»Sie sind also an meinen Büchern interessiert«, hörte er die Marchesa jetzt sagen. Ihre Worte kamen unerwartet, und sie klangen eher geschäftsmäßig, jedenfalls nicht so, als hätten sie sich gerade über den Tod eines Menschen unterhalten, den man persönlich kannte.
»Ich bin Antiquar«, erwiderte Malberg. »Ich lebe davon, wertvolle Bücher zu kaufen und zu verkaufen.«
»Ich kenne Ihren Berufsstand zur Genüge, Signore. Der Marchese, Gott habe ihn selig, kaufte viel auf Auktionen, aber auch bei Antiquaren in Deutschland. Er war nahezu besessen, das eine oder andere Buch in seinen Besitz zu bringen. Für manches Buch gab er ein Vermögen aus. Laien würden niemals den Wert dieser Bücher auch nur erahnen. Deshalb hoffe ich auf Ihre Fairness, falls wir ins Geschäft kommen sollten. Wann können Sie kommen?«
»Wann passt es Ihnen, Marchesa?«
»Sagen wir gegen fünf?«
»Ist mir recht.«
»Meine Adresse haben Sie, Signor Malberg.«
»Ich habe sie notiert.«
»Ach – noch etwas: Erschrecken Sie nicht, wenn Sie das Haus sehen. Die unteren drei Stockwerke sind unbewohnt. Sie finden mich in der vierten Etage.
Buon giorno!
«
Das Haus lag zwischen der Piazza Navona und dem Tiberbogen in einer Seitenstraße der Via dei Coronari, nicht weit von Malbergs Hotel entfernt. Er machte sich zu Fuß auf den Weg.
In den Straßen hing die drückende Hitze des Sommers. Die meisten Römer hatten die Stadt verlassen. Es roch nach Staub und Autoabgasen. Malberg suchte die Schattenseiten der Straßen.
Nur gut, dass die Marchesa ihn auf den Zustand des Hauses vorbereitet hatte, sonst wäre er an dem heruntergekommenen Gebäude glatt vorbeigelaufen. Nein, das Haus machte nicht gerade einen vornehmen Eindruck. Als Wohnsitz einer leibhaftigen Marchesa war das Gemäuer eher schäbig. Jedenfalls hatte es bessere Zeiten erlebt.
An den Fenstereinrahmungen waren Teile des barocken Stucks herausgebrochen, von der Fassade bröckelte der Putz, und die heruntergekommene Eingangstür hatte seit Piranesis Zeiten keine Farbe mehr gesehen.
Malberg trat ein. Im halbdunklen Treppenhaus schlug ihm feuchte kalte Luft entgegen. Unwillkürlich fühlte er sich an Marlenes Haus erinnert.
Als er auf dem obersten Treppenabsatz angelangt war, trat eine zierliche, schwarz gekleidete Frau aus der Tür. Sie trug die Haare glatt nach hinten gekämmt und ein perfektes Make-up. Ihre makellosen Beine wurden von schwarzen Strümpfen und hochhackigen Pumps in Szene gesetzt. Streng wie ihre äußere Erscheinung war auch ihr Gesichtsausdruck, als sie Malberg jetzt die Hand entgegenstreckte und mit rauchiger Stimme sagte: »Signore!«
Mehr sagte sie nicht.
»Malberg, Lukas Malberg. Sehr freundlich, dass Sie mich empfangen, Marchesa!«
»Oh, ein Herr mit Manieren«, entgegnete die Marchesa und hielt Malbergs Hand einen Augenblick fest. Sie hatte dunkle, verweinte Augen.
Malberg wurde verlegen. Der Tonfall ihrer Worte verunsicherte ihn. Wollte sie sich über ihn lustig machen?
»Wenn Sie mir folgen wollen, Signore«, fuhr die Marchesa fort und ging voraus.
Eine Marchesa hatte sich Lukas Malberg ganz anders vorgestellt, weder klein noch zierlich, schon gar nicht so apart und gut aussehend. Sie mochte Mitte vierzig sein, vielleicht sogar fünfzig. Auf jeden Fall trug sie eine gewisse Klasse zur Schau, eine Klasse, bei der das Alter eine untergeordnete Rolle spielt.
Lorenza Falconieri führte Malberg in einen großen quadratischen Raum, der sich vor allem dadurch auszeichnete, dass alle vier Wände, ausgenommen ein breites Fenster und die Zimmertür, vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen bestückt waren. Ein runder schwarzer Tisch mit einem Fuß aus Löwenpranken in der Mitte der Bibliothek wurde von einer abgewohnten Couch mit blaugrünem Pfauenmuster und einem riesigen Ohrensessel eingerahmt.
»Einen Kaffee?«, fragte die Marchesa, nachdem sie Malberg einen Platz angeboten hatte.
»Sehr gerne, wenn es keine Umstände macht.«
Die Marchesa verschwand, und Malberg hatte Gelegenheit, die Bibliothek näher zu betrachten. Allein die Buchrücken versprachen Bedeutsames.
»Sehen Sie
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