Die Achte Suende
unbekannten Besucher beschäftigt war.
Dahinter tat sich ein ziemlich kitschig eingerichtetes Boudoir auf mit einer Liege, einem mit goldfarbenem Brokat bezogenen Ohrensessel und einer Spiegelkommode aus eierschalenfarbenem Schleiflack – alles andere als sein Geschmack.
Gerade wollte er sich wieder zurückziehen, als sein Blick auf eine Reihe buchdeckelgroßer Fotografien fiel, welche die Wand an der Stirnseite der Liege zierten. Die Bilder hatten alle dasselbe Motiv: Marlene, Marlene nackt oder in Dessous.
Wie gebannt starrte Malberg auf die reizvolle Bildergalerie. Sein Verstand wehrte sich, daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Er war verwirrt. Jeden Augenblick konnte die Marchesa zurückkommen. Malberg zog es vor, sich zurückzuziehen.
Kaum hatte er die Tür zum Boudoir hinter sich geschlossen, erschien Lorenza wieder in der Bibliothek. Sie entschuldigte sich höflich für die kurze Abwesenheit, ohne auf die Gründe näher einzugehen. »Aber ich bin sicher, Sie haben sich nicht gelangweilt.«
Malberg schüttelte den Kopf und lächelte gekünstelt. Der verbotene Blick in das Boudoir der Marchesa hatte mit einem Mal die Dinge auf den Kopf gestellt. Die Entdeckung in ihrem Schlafzimmer überlagerte plötzlich alles andere.
Während er unter Lorenzas teilnahmslosen Blicken weitere Folianten aus den Regalen nahm und mit gespieltem Interesse darin blätterte, versuchte Malberg Klarheit darüber zu gewinnen, warum sich eine Frau Aktbilder ihrer Freundin über das Bett hängt.
Dafür gab es nur eine Erklärung.
Malberg hatte eigentlich nichts dagegen, wenn Frauen Frauen liebten, aber im Falle von Marlenes Tod warf die enge Bindung der beiden Frauen natürlich Fragen auf.
Unfähig, sich weiter auf die kostbaren Bücher zu konzentrieren, stellte er den Folianten an seinen Platz zurück. Und als ihn Lorenzas fragender Blick traf, meinte Malberg verunsichert, er wolle sie nicht länger aufhalten und werde sich in den nächsten Tagen mit einem konkreten Angebot bei ihr melden.
Kapitel 6
Es dämmerte bereits, als Malberg auf die Straße trat. Auf der Via dei Coronari herrschte wenig Verkehr. Kein Wunder, die meisten Römer hatten die Stadt verlassen und verbrachten den August am Meer oder auf dem Land. Und die Touristen hielten sich lieber in den Trattorias auf der Piazza Navona oder jenseits des Flusses in Trastevere auf.
Malberg schlug den Weg Richtung Hotel ein. Sein Hemd klebte ihm auf dem Rücken wie eine Folie. Aber es war nicht allein die Hitze des Abends, die ihm den Schweiß aus allen Poren trieb. Der Gedanke, zwischen Lorenza und Marlene könnte sich ein Eifersuchtsdrama abgespielt haben, jagte ihm wahre Schauer über den Rücken.
Wenn er die Begegnung mit der Marchesa noch einmal Revue passieren ließ, erinnerte er sich, dass sie ihn mit verweinten Augen empfangen hatte, dann aber sehr schnell zur Tagesordnung übergegangen war. Und was seine, Malbergs, Zweifel an ihrer Unfall-oder Selbstmord-Theorie betraf, so hatte sie aufgeregt und barsch reagiert. Auch gab es keine einleuchtende Erklärung dafür, warum sie einerseits behauptete, Marlene nicht gut genug gekannt zu haben, während andererseits deren Nacktfotos ihr Schlafzimmer zierten.
Irgendetwas stimmte nicht, und Malberg fragte sich, was es war.
Malberg suchte sein Hotelzimmer auf und stellte sich unter die kalte Dusche. Dann zog er eine luftige Leinenhose an und ein Polohemd.
Beim Portier erkundigte er sich nach einem nahe gelegenen Fischlokal, doch der verwies ihn auf eine junge Frau, die vor der Glaswand zum Innenhof des Hotels auf ihn wartete.
»Mein Name ist Caterina Lima.« Ein hübsches Mädchen trat auf Malberg zu. »Ich schreibe für das Nachrichtenmagazin
Guardiano
.«
Malberg konnte seine Überraschung nicht verbergen.
»Und was kann ich für Sie tun, Signorina? Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind. Eine so angenehme Erscheinung wäre mir gewiss in Erinnerung geblieben.«
Caterina lächelte selbstsicher. Ein Kompliment wie dieses hörte sie nicht selten. »Die Marchesa Falconieri sagte mir, Sie seien mit Marlene Ammer befreundet. – Ich meine: gewesen. Und sie sagte, ich würde Sie hier im Hotel finden.«
»Was heißt befreundet.« Malbergs Tonfall veränderte sich abrupt. »Wir waren ein paar Jahre in derselben Klasse und haben uns später aus den Augen verloren. Wie das so geht. Vor nicht allzu langer Zeit sind wir uns dann wieder begegnet.« Er schwieg einen Moment. »Aber warum wollen Sie das alles
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