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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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nicht. Wir alle sind Spezialisten auf unserem Gebiet, die meisten sogar Koryphäen von hoher Reputation, doch im Grunde genommen sind wir alle nur Zuträger.«
    Malberg zog die Stirn in Falten und warf einen misstrauischen Blick nach oben. Dieser Gruna war schwer einzuschätzen. Warum erzählte er ihm das alles? Wollte er ihn einschüchtern? Was in aller Welt hatte ein Hämatologe auf Burg Layenfels zu schaffen?
    Gruna sah Malberg nachdenkliches Gesicht und meinte: »Sie dürfen sich nicht wundern, wenn wir uns hier unterhalten, aber diese Wendeltreppe ist einer der wenigen Orte in diesem alten Gemäuer, der nicht abgehört wird. Und Privatgespräche sind auf Layenfels unerwünscht, genau genommen sogar verboten.«
    »Abgehört? – Von wem?«
    »Von Anicet. – Wie ist er überhaupt auf Sie gestoßen?«
    »Zufall«, erwiderte Malberg, »er saß während der Auktion, auf der er das Mendelsche Buch ersteigerte, auf dem Platz neben mir. Da kamen wir ins Gespräch, und Anicet machte mir ein Angebot. Wo ist er übrigens?«
    »Wie viele Mitglieder der Bruderschaft ist Anicet ein Nachtmensch. Sie werden ihn tagsüber selten zu Gesicht bekommen. Deshalb bat er mich, ich solle mich Ihrer annehmen und Sie in Ihre Zelle einweisen. Und jetzt kommen Sie!«
    Das alles kam Malberg ziemlich seltsam vor. Die Atmosphäre im Innern der Burg wirkte beklemmend. Nicht nur wegen der Farblosigkeit und Düsternis der alten Mauern, es war die Leere und Stille, die jeden freudvollen Gedanken erstickte.
    »Ist dieser Anicet wirklich so geheimnisvoll, wie er tut?«, fragte Malberg, während er den langen Gang, der nach etwa fünfzig Schritten nach links abbog, hinter Gruna hertappte.
    Der drehte sich um und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen.
    In dem bedrückend schmalen Gang reihte sich eine Tür an die andere. Seltsame Fabelwesen und Kriechtiere neben den Türen an der Wand ersetzten die Nummerierung. Sie hatten gewiss schon dreißig Zellen passiert, als Gruna vor einem mit gekonntem Strich an die Wand gemalten Salamander haltmachte und die Tür öffnete.
    Der erste Eindruck war weniger enttäuschend, als Malberg erwartet hatte. Die Zelle maß etwa sechs mal dreieinhalb Meter und ähnelte – was die Einrichtung betraf – weniger einer spartanischen Mönchsbehausung als einer nüchternen Studentenbude mit holzgetäfelter Einbauwand samt integriertem Schrank und Klappbett, einem zweisitzigen Sofa, einem bequemen Fauteuil und einem Schreibtisch aus verchromtem Stahlrohr. Sogar ein Tastentelefon gab es.
    Gruna trat ans Waschbecken, rechts neben dem Eingang und drehte den Hahn auf. In das Rauschen des Wassers sagte er eher flüsternd: »Das ist die einzige Möglichkeit, sich vor Abhörmaßnahmen zu schützen!« Er zeigte zur Decke. Kirschgroße Knöpfe ließen keinen Zweifel an deren Verwendung aufkommen.
    »Warum tun Sie das für mich?«, fragte Malberg und ertappte sich dabei, dass er auch flüsterte. »Ich meine, Sie kennen mich doch gar nicht!« Müde von der Reise stellte er seine Reisetasche auf dem Sofa ab.
    Der Hämatologe hob beide Hände. »Ich will Sie nur vor irgendwelchen Dummheiten bewahren. Um auf Burg Layenfels bestehen zu können, sollten Sie sich so verhalten, wie man es Ihrer Meinung nach von Ihnen erwartet. Nur so können Sie hier ohne seelischen Schaden überleben. Und was meine Motive betrifft, vielleicht können Sie uns von größerem Nutzen sein als wir Ihnen. Sie verstehen?«
    Malberg verstand überhaupt nichts. »Wollen Sie sich nicht etwas klarer ausdrücken?«, sagte er einigermaßen ratlos.
    »Das hat keine Eile«, entgegnete Gruna, und dabei brachte er ein zaghaftes Lächeln zustande. Dann drehte er den Wasserhahn zu und zog sich zurück.
    Es dämmerte bereits, als Anicet bei Malberg im Zimmer erschien – die Bezeichnung Zelle zu verwenden, weigerte er sich sogar in Gedanken. Der schmalschultrige Mann mit den weißen Haaren trat, ohne anzuklopfen, ein.
    Die Begrüßung verlief kühl und ohne Umschweife, und als Anicet Malbergs erstauntes Gesicht sah, meinte er: »Auf Burg Layenfels gibt es keine Schlösser und keine Schlüssel, folglich gibt es auch keine abgesperrten Räume. Das haben Sie sicher schon gemerkt. Es ist auch nicht üblich anzuklopfen. Solche alten Bräuche sind nur Zeitverschwendung.«
    Was die angebliche Zeitverschwendung betraf, kam Malberg gar nicht dazu, Stellung zu nehmen oder zu antworten, denn Anicet forderte ihn auf, ihm in das im Trakt gegenüber gelegene Archiv zu folgen.
    »Sie

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