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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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deren Stoff ein begabter Fälscher mithilfe von Natriumchlorid eine glaubhafte Kopie fertigen könnte. So wie das offenbar mit diesem Objekt geschah.« Er warf einen verächtlichen Blick auf seinen Bildschirm, wo noch immer zwei unterschiedliche Strichcodes zu sehen waren.
    Anicet schnaubte. Mit erhobenem Zeigefinger, der unübersehbar zitterte wie ein dürres Blatt im Herbstwind, schleuderte er dem Professor entgegen: »Ich schlage vor, Sie suchen den Fehler erst einmal bei sich selbst, bei Ihnen und Ihren Untersuchungsmethoden. Sie verfügen über das modernste und teuerste Instrumentarium, aber Sie sind nicht in der Lage, konkrete Aussagen über das Leintuch zu machen. Wenn Sie an der Echtheit der Reliquie zweifeln, gut, dann verlange ich von Ihnen Beweise. Solange Sie diese Beweise nicht vorlegen, gehen wir davon aus, dass es sich bei dem Grabtuch, das uns Kardinal Gonzaga gebracht hat, um jenes handelt, in welchem Jesus von Nazareth bestattet wurde. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Murath murmelte etwas wie »Dann können wir wieder ganz von vorne anfangen«. Laut und deutlich sagte er dann: »Das wirft uns in unserer Planung um Wochen zurück. Darüber sind Sie sich doch im Klaren?«
    Anicet hob beide Hände: »Wir sollten uns ein Beispiel an der Kurie nehmen. Im Vatikan wird nicht nach Tagen oder Wochen gerechnet, nicht einmal nach Monaten. Ich bin überzeugt, wenn es eine größere Maßeinheit gäbe, zählten die Herren nicht einmal die Jahre. Welche Bedeutung kommt da ein paar Wochen zu!«
    Dr. Dulazek lebte mit Murath aufgrund kritischer Berührungspunkte ihrer Wissenschaften ohnehin ständig auf Kriegsfuß. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass er im selben Atemzug eine provozierende Frage in den Raum stellte. »Hat eigentlich schon einmal jemand darüber nachgedacht, ob Muraths Hypothese überhaupt stichhaltig ist? Ich will sagen – arbeiten wir vielleicht an einer Problemlösung, für welche die wichtigste Voraussetzung fehlt, nämlich das Problem?«
    Murath plusterte sich vor seinem Bildschirm auf wie ein Pfau. Aber noch bevor er die richtigen Worte fand, fuhr Dulazek fort: »Verstehen Sie mich recht, Ich schätze den Kollegen sehr. Aber er wäre nicht der Erste, bei dem sich eine bedeutsame wissenschaftliche Hypothese verhält wie ein Atom bei der Kernspaltung.«
    »Und wie verhält sich ein Atom bei der Kernspaltung, wenn ich fragen darf?«, sagte Anicet.
    »Es zerbröselt. Nichts weiter.«
    Mit einem Satz sprang Murath auf und stürzte sich auf Dulazek. »Armseliger Zytologe, armseliger!«, schrie er außer sich vor Wut und fuhr ihm an die Gurgel.
    Weder Dulazek selbst noch einer der Umstehenden konnte verhindern, dass Murath seinen Widersacher zu Boden riss und ihn würgte, bis dieser dunkelrot anlief. Dem kräftigen Toxikologen Professor Masic gelang es in letzter Sekunde, Dulazek von dem tobenden Molekularforscher zu befreien.

Kapitel 15
    Seit zwei Tagen hatte Malberg von Caterina nichts gehört. Er ahnte, warum sie ihn mit Schweigen strafte. Sie empfand es wohl als Vertrauensbruch, weil er ihr verschwiegen hatte, dass er kurz nach dem Mord in Marlenes Wohnung gewesen war. Rückblickend musste er es eingestehen: Er hatte einen Fehler gemacht. Er konnte es Caterina nicht einmal verdenken, wenn sie
ihn
mit dem Mord in Verbindung brachte.
    Ihre Privatadresse kannte er nicht. Ihr Name war im römischen Telefonbuch nicht zu finden. Malberg beschloss, Caterina in der Redaktion des
Guardiano
in der Via del Corso aufzusuchen.
    Die Eingangshalle in dem barocken Prachtbau wurde von zwei schwarz gekleideten Türstehern bewacht, die jeden Besucher kritisch musterten. Die Portiere, eine gepflegte Erscheinung mittleren Alters, nickte Malberg freundlich zu und erkundigte sich höflich: »Was kann ich für Sie tun, Signore?«
    »Ich würde gerne Signora Caterina Lima sprechen.«
    »Sie sind angemeldet, Signore?«
    »Nein. Das heißt ...«, geriet Malberg ins Stocken. »Es handelt sich eher um eine private Angelegenheit. Aber eigentlich ...«
    Die blonde Portiere hob die Augenbrauen. »Wenn Sie bitte Platz nehmen wollen!«, meinte sie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. Und dabei wies sie mit einer offenen Handbewegung auf eine graue Sitzgruppe. »Und wen darf ich melden?«
    »Mein Name ist Malberg.«
    Eine Weile beobachtete Malberg das Kommen und Gehen in der Eingangshalle, dann stand plötzlich Caterina vor ihm. Sie schien aufgeregt. Ihrem ängstlichen Blick konnte Malberg entnehmen, dass

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