Die Achte Suende
nickte, öffnete sie umständlich ihre Kamera und reichte dem Unbekannten den Chip.
Der nahm ihn, zerquetschte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und ließ die Überreste in der Brusttasche seines Zweireihers verschwinden. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und zischte: »Und jetzt hauen Sie ab, bevor ich meinen Worten Nachdruck verleihe!«
Malberg und Caterina zogen es vor, der Aufforderung Folge zu leisten, zumal die Trauergesellschaft bereits auf sie aufmerksam geworden war.
Sie waren schon im Gehen, als der Schwarzgekleidete ihnen leise hinterherrief: »Und merken Sie sich eins: Manchmal ist es besser, mit den Menschen auch die Wahrheit zu begraben!«
»Verstehen Sie das?«, erkundigte sich Malberg, als sie vor dem Haupteingang des Cimitero auf die Straße traten.
Caterina zeigte keine Regung. Endlich antwortete sie kopfschüttelnd: »Ich werde das Gefühl nicht los, dass das hier die Story meines Lebens ist.«
Kapitel 14
Das Laboratorium auf Burg Layenfels war mit Geräten und Instrumenten bestückt, um das es jede Universität beneidet hätte: Hochleistungsrechner im Format eines Kleiderschranks, ein Elektronenmikroskop, mehrere Interferenzspektrometer und Zentrifugen, ein Computertomograph neuester Bauart, eine Thermolumineszenz-Versuchsanordnung und ein Dutzend hochauflösender Flachbildschirme in allen Räumen, miteinander vernetzt.
Die ineinander übergehenden Labors nahmen das gesamte obere Stockwerk der trutzigen Burganlage ein. Anders als sonst, wenn sich hier große Hektik ausbreitete, herrschte an diesem Morgen konzentrierte Ruhe.
Im mittleren Laborraum saß der Molekularbiologe Professor Richard Murath vor dem Bildschirm seines Computers, umgeben von dem Zytologen Dr. Dulazek, dem Genealogen Jo Willenborg, dem Toxikologen Professor Masic, dem Chemiker Eric Van de Beek und dem Hämatologen Ulf Gruna.
Als Anicet, bleich und wie stets mit feucht zurückgekämmten Haaren, das Labor betrat, blickte Murath kurz auf, dann hackte er weiter stumm in seinen Rechner. Keiner sagte ein Wort. Wie gebannt starrten die Männer auf den Bildschirm.
Mit zusammengepressten Lippen, die seine Anspannung verrieten, versuchte Murath zwei endlos scheinende Reihen eines Strichcodes in Deckung zu bringen. Jedes Mal wenn er scheiterte, schüttelte Murath den Kopf. Er schien verzweifelt, weil der mehrfach wiederholte Versuch kein Ergebnis brachte. Schließlich schob er seine Bluetooth-Maus beiseite und drehte sich auf seinem verchromten Sessel um.
»Und Sie sind sicher, dass Sie keinem Fake aufgesessen sind?«, fragte er leise an Anicet gewandt. Dessen auffallend fahles Gesicht nahm in Sekundenschnelle eine rote Farbe an. Er sah aus, als würde er gleich platzen vor Wut. Anicet rang nach Luft. Aber noch bevor er antworten konnte, legte der Genealoge Jo Willenborg seine Hand auf dessen angewinkelten Unterarm und sagte: »Sie dürfen Murath die Frage nicht übel nehmen. Der Professor ist einer von jenen Wissenschaftlern, die ihr Fach höher einschätzen als die Realität. Ich bin überzeugt, er würde Ihnen weismachen, dass ein Hase mit einem Igel verwandt ist oder umgekehrt, wenn er dafür eine molekularbiologische Hypothese fände.«
Dr. Dulazek, der Zellforscher, lachte laut, während die Übrigen betreten dreinblickten. »Wissenschaft«, meinte Dulazek daraufhin kleinlaut, »Wissenschaft fängt eigentlich erst da an, interessant zu werden, wo sie für die meisten aufhört.«
Und Masic, der Toxikologe, dem der Ruf vorausging, er habe tausend tödliche Formeln im Kopf und sei in der Lage, sogar Brotkrumen in ein heimtückisches Gift zu verwandeln, ergänzte: »Wo das Wissen aufhört, beginnt der Glaube, und das ist bekanntlich das größte Problem der Menschheit.«
Für diese Worte erntete Masic Zustimmung von allen Seiten. Nur Anicet starrte geistesabwesend auf den Bildschirm. Jeder der Anwesenden wusste, wie gefährlich es war, wenn Anicet schwieg. Sicher würde er im nächsten Augenblick einen Wutanfall bekommen. Dafür war er bekannt.
Anicet war überhaupt der Einzige unter den Fideles Fidei Flagrantes, über den man mehr wusste. Von Beruf Kardinal, hatte er, der in hohem Maße als
papabile
galt, bei der letzten Papstwahl den Kürzeren gezogen zugunsten eines erzkonservativen Nachfolgers Petri. Das hatte er nie verwunden und der Kirche Rache geschworen.
Den übrigen Ordensbrüdern auf Burg Layenfels war es nicht anders ergangen: jeder eine Koryphäe auf seinem Gebiet, jeder verkannt, gemobbt,
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