Die Achte Suende
wusste er nicht mehr, ob er wach war oder träumte. Mit einem Mal war er unsicher, was er auf diese ungewöhnliche Frage antworten sollte. Es gibt Fragen, dachte er, die stellt man einfach nicht. Das war so eine Frage, eine ganz und gar unanständige Frage, die man nur unanständig und nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten konnte. Auch nicht höflich, mit »Ich bin so frei«, oder herablassend »Wenn Sie meinen«.
Noch während Malberg überlegte, was er sagen sollte, kam Caterina ihm zuvor. Sie stand auf, schob ihren kurzen Leinenrock hoch und setzte sich auf ihn. Während sich ihre Blicke trafen, begann sie an seiner Hose zu nesteln. Malberg schloss die Augen und gab sich nur seinen Gefühlen hin.
Ihr Lächeln, die vollen Lippen und die Koketterie ihrer Blicke hatten ihn seit der ersten Begegnung in Unruhe versetzt. Und obwohl Malberg alles andere als schüchtern war, hatte er alle Phantasien verdrängt, die Caterina, bewusst oder unbewusst, provozierte. Sie wollten gemeinsam einen gefährlichen Fall aufklären. Sex war da nur hinderlich.
Gedanken wie diese verflüchtigten sich von einem Augenblick auf den anderen, als Malberg Caterinas Zunge spürte, die sich ungeduldig in seinen Mund drängte. Sie küssten sich lange und leidenschaftlich, ihre warme Hand hatte den Weg durch alle Stoffschichten gefunden und umfasste sein Geschlecht. Malberg stöhnte vor Erregung und griff ihr in die Haare. Einen Moment löste sich Caterina von ihm, dann spreizte sie die Beine und sagte nur ein Wort: »Komm!«
Malberg zog sie ungestüm an sich und drang in sie ein.
Die leisen Schreie, die sie ausstieß, erregten ihn aufs Äußerste. War es der lange Zeitraum, der seit dem letzten Mal vergangen war, oder der unerwartete Überfall, mit dem Caterina ihn überrascht hatte, Malberg konnte sich nicht erinnern, jemals so guten Sex gehabt zu haben.
Ermattet sanken beide zu Boden, wo sie nach Luft ringend nebeneinander liegen blieben. Caterina fand zuerst die Sprache wieder. Sie drehte sich zu ihm und stützte sich auf den Ellbogen auf. »Es war dir hoffentlich nicht unangenehm«, sagte sie, während sie ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
Malberg sah sie an, dann schloss er wieder die Augen. Über seine Mundwinkel huschte ein Lächeln. Er blieb sprachlos.
Kapitel 20
Lukas Malberg hatte Schwierigkeiten, sich zu orientieren, als er am nächsten Morgen gegen zehn aufwachte. Er hatte die Nacht auf der Liege verbracht, die ihm schon in den letzten Tagen als Schlafstätte gedient hatte. Wie so oft war Paolo nachts nicht nach Hause gekommen, und Caterina hatte das Haus bereits verlassen.
Was für eine Frau, dachte Malberg und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dabei fiel sein Blick auf einen Zettel in seinem rechten Schuh. Er hob ihn auf und las: Ich hoffe, ich habe dein Leben nicht allzu sehr durcheinander gebracht. Kuss, Caterina.
Er musste lachen.
Trotz allem, was geschehen war, hielt Malberg an seinem Plan fest und machte sich auf den Weg zu Signora Papperitz.
Das Haus in der Via Luca unterschied sich von anderen in der Gegend vor allem dadurch, dass es einen durchaus gepflegten Eindruck machte. Sogar das Treppenhaus, in den meisten Häusern von Trastevere eher ein Albtraum, schien auf den ersten Blick einladend und freundlich.
»Papperitz–Camere–Rooms«. Ein Messingschild an der Tür im ersten Stockwerk verwies auf eine Etagenpension.
Malberg drückte auf den Klingelknopf.
Die Tür wurde geöffnet, und im Zwielicht der Diele erschienen die Umrisse einer fülligen Frau von etwa sechzig Jahren. Ihr grelles Make-up sollte vermutlich von ihrem ausladenden Doppelkinn ablenken. Und obwohl es Donnerstag war und obendrein September, wo kein Feiertag den Gregorianischen Kalender durchkreuzt, trug die Signora ein vornehmes dunkles Kostüm wie zum Kirchgang bereit. Misstrauisch musterte sie den Fremden, und da ihr weder ein Gruß noch die Frage nach seinem Begehren über die Lippen kam, begann Malberg: »Mein Name ist Malberg, und ich suche für ein paar Wochen eine Bleibe. Paolo Lima schickt mich.«
»Paolo Lima? So, so.« Plötzlich erhellte sich das finstere Gesicht der Signora. »Ein Taugenichts, aber harmlos. Kommen Sie rein!«
Die Signora ging voran, und Malberg folgte ihr durch einen düsteren Korridor, dessen Wände mit rot gemustertem Stoff bespannt und mit breit gerahmten Bildern behangen waren. In einem großen Salon mit drei riesigen Fenstern zur Straße hin roch es nach Bohnerwachs und altem Interieur.
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