Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
Fachgebiet, die Hämatologie, weniger dazu geeignet ist, an philosophische Grenzen zu stoßen. Was allerdings die Zytologie und Molekularbiologie betrifft, so kollidiert die Forschung beinahe täglich mit der Religionsphilosophie. Und an diesem Punkt scheiden sich die Geister.« Dulazek blickte kurz auf. »Ich weiß nicht, ob Sie Murath schon einmal näher beobachtet haben.«
    »Was heißt beobachtet! Dass der Professor ein etwas merkwürdiger Zeitgenosse ist, ist mir nicht entgangen. Aber dazu bedarf es keiner besonderen Beobachtungsgabe. Das wissen doch wohl alle Flagrantes auf Burg Layenfels.«
    »Das meine ich nicht. Ich meine, haben Sie schon einmal versucht, seine speziellen Eigenheiten in ein System einzuordnen?«
    Ulf Gruna blickte irritiert. »Ehrlich gesagt, hat mich Murath als Mensch bisher nicht im Geringsten interessiert. Das Einzige, was mich an Murath fasziniert, ist seine Forschung.«
    Mit einer Pinzette entnahm Dulazek dem ersten Schälchen einen Faden, knapp zwei Zentimeter lang. Mit der Pipette in der rechten Hand und dem Faden in der linken betupfte er das Objekt kaum erkennbar mit dem Blut der Taube. Ebenso verfuhr er mit einem einen Millimeter großen Stoffknäuel und einem winzigen Stück Leinen, nicht größer als der kleine Fingernagel, in den beiden anderen Schälchen.
    »Warum in aller Welt gerade Taubenblut«, fragte Dulazek vor sich hin. Er erwartete keine Antwort von dem Hämatologen. Es gab keine.
    Nach einer Weile erwiderte Gruna: »Tatsache ist, dass Taubenblut in Verbindung mit Sauerstoff schneller oxydiert als das Blut jedes anderen Warm-oder Kaltblüters, sodass es unmöglich ist, das Alter der Blutprobe festzustellen. Wie ich schon sagte: Dafür fehlt bisher jede Erklärung.«
    Dulazek grinste übers ganze Gesicht. Es war ein hämisches Grinsen. Schließlich antwortete er: »Ich hoffe, Murath gibt auf, wenn der neue Versuch ebenfalls fehlschlägt. Haben Sie sein Gesicht gesehen, als er vor dem Bildschirm saß und vor versammelter Mannschaft eingestehen musste, dass es nicht funktioniert?«
    »Ja natürlich. Ich glaube, alle empfanden dabei eine gewisse Genugtuung. Murath mag ein Wissenschaftler von hohem Rang sein, als Mensch ist er ein Ekel.«
    »Eine Kombination, die im Übrigen gar nicht so selten ist. Aber Sie sprachen vorher von Muraths Eigenheiten, hinter denen ein System steckt.«
    »Nun ja, wir alle auf Burg Layenfels haben durchaus unsere Eigenheiten. Sonst wären wir wohl nicht hier. Wir alle leiden auf irgendeine Weise an uns selbst. Bei Murath tritt dies allerdings in besonders hohem Maße zutage. Wenn Sie mich fragen, ich halte den Professor für einen Psychopathen. Ich weiß nicht, ob Ihnen schon aufgefallen ist, dass er das Tageslicht meidet, Fleisch und Wein verabscheut und jede Art von Besitz und körperlicher Arbeit ablehnt wie ein Manichäer oder ein Katharer.«
    »So wie Anicet auch!«
    Dulazek nickte: »Das dürfte auch der Grund sein, warum sich beide so gut verstehen. Nur –«, der Zellforscher machte eine lange Pause, als wollte er seine Gedanken sammeln, »das alles hat nichts mit ihren finsteren Plänen zu tun. Denn das sind die Pläne von Agnostikern, die an nichts anderes glauben als an sich selber …«
    Gruna hob abwehrend beide Hände: »Augenblick, das ist etwas viel auf einmal, Katharer, Manichäer. Können Sie einem halbgebildeten Hämatologen das näher erläutern? Ich dachte, wir alle sind Mitglieder der Bruderschaft der Fideles Fidei Flagrantes. Deren Spielregeln sind schon kompliziert genug. Und manchmal ist es nicht gerade angenehm, sein Leben nach den Forderungen der Bruderschaft auszurichten.«
    Während Dulazek bemüht war, alles in Muraths Versuchsanordnung so hinzustellen, wie sie es vorgefunden hatten, und sich die Gummihandschuhe von den Händen streifte, sagte er: »Was Katharer und Manichäer betrifft, so handelt es sich um obskure religiöse Bewegungen des frühen Mittelalters, die bis heute ihr Unwesen treiben. Die Katharer kamen im zwölften Jahrhundert aus dem Südosten Europas. Sie nannten sich selbst ›die Reinen‹ oder auch ›die Gutmenschen‹ und fanden hier im Rheinland nicht wenige Anhänger. Verbreitung fanden sie aber auch in England, Südfrankreich und Oberitalien. Von der Kirche wurden sie als Ketzer verfolgt, denn sie negierten das Alte Testament und die katholische Hierarchie. Aber was das Schlimmste war, sie behaupteten, Jesus habe keinen irdischen Leib gehabt, denn alles Irdische sei böse.«
    »Ich kann mir

Weitere Kostenlose Bücher