Die Achte Suende
Schwere Vorhänge, zur Seite gerafft, schützten vor der Sonne. Was an fahlem Licht in das Innere drang, wurde von einem abgetretenen rot und blau gemusterten Orientteppich geschluckt, mindestens fünf mal sechs Meter groß.
Vier Tische unterschiedlicher Stilart, aber von dunkler Farbe, zwei rund, die beiden anderen quadratisch, ließen den Schluss zu, dass es sich bei dem im Übrigen nur mit einer schwarzen Kredenz und mit einer Anrichte möblierten Salon um das Frühstückszimmer der Pension handelte.
Schwer atmend ließ sich Signora Papperitz an einem der Tische nieder, und ohne Malberg einen Platz anzubieten, fragte sie unvermittelt: »Können Sie vier Wochen im Voraus bezahlen?«
Ziemlich verdattert nickte Malberg und stammelte: »Selbstverständlich.«
»Gut«, erwiderte die Signora. »Sie müssen verstehen, ich kenne Sie schließlich nicht. Und mit Leuten, die von Paolo geschickt werden, habe ich so meine Erfahrungen gemacht.«
»Selbstverständlich«, wiederholte Malberg. Er war sich nicht sicher, ob er es in dieser leicht angestaubten Umgebung lange aushalten würde.
»Ich muss Ihnen nicht sagen, wer in meinen Räumen schon logiert hat«, begann die Zimmervermieterin ihre Rede, und dabei blitzten ihre wässrigen Augen auf. Malberg erwartete Namen wie Lucino Visconti, Claudia Cardinale oder Klaus Kinski. Aber dann nannte sie Namen, die Malberg noch nie gehört hatte, und die auch einem waschechten Römer kaum geläufig waren. »Mit Anmeldung«, fuhr sie schließlich fort, »hundertfünfzig die Woche, ohne Anmeldung zweihundert. Nachdem Paolo Lima Sie schickt, nehme ich an, dass Sie auf polizeiliche Meldung keinen großen Wert legen.«
»Das wäre mir sehr recht. Aber lassen Sie mich erklären …«
»Sparen Sie sich Ihre Erklärungen, Signore – wie war doch gleich der Name?«
»Malberg. Lukas Malberg aus Monaco di Baviera.«
»Gut, Signor Lukas. Damit wollen wir es bewenden lassen. Ihren Namen habe ich schon wieder vergessen. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen Ihr Zimmer. Es ist das einzige, das ich für einen Herrn mit Ihren Bedürfnissen zur Verfügung habe. Folgen Sie mir bitte.«
Der herrische Ton der Signora und das zwielichtige Flair der Pension wirkten auf Malberg wenig einladend, und er spielte schon mit dem Gedanken, sich höflich zu verabschieden, als er in ein geräumiges Zimmer mit kostbarem antikem Mobiliar und einem kleinen separaten Badezimmer geführt wurde. Zwei Fenster mit Blick auf einen kleinen quadratischen Platz und einen Brunnen in der Mitte ließen die Vormittagssonne herein. Nicht im Traum hatte Malberg eine solche Wohnung erwartet.
»Sie nehmen doch einen Scheck?«, fragte Malberg.
»Warum nicht – wenn er gedeckt ist.« Signora Papperitz blickte streng. »Damenbesuch nur bis zweiundzwanzig Uhr!«, fügte sie hinzu. »Und nun das Wichtigste.«
»Das Wichtigste?« Malberg überlegte, was jetzt wohl kommen würde.
Die Zimmervermieterin zeigte auf eine Wandlampe rechts neben der Tür: »Wenn diese Lampe blinkt, ist Gefahr im Verzug. Wie Sie wissen, haben wir sehr strenge Meldegesetze, und nicht selten finden unangemeldete Kontrollen statt. Sollten während Ihrer Anwesenheit die Kontrolleure erscheinen, würde ich vom Eingang aus ein Signal geben.«
»Und dann? Ich kann mich doch nicht in Luft auflösen.«
Zum ersten Mal zeigte sich in dem unter der Schminke erstarrten Gesicht der Signora der Anflug eines Lächelns, ein überlegenes Schmunzeln, das er der zurückhaltenden alten Dame gar nicht zugetraut hätte.
Mit erhobenem Haupt schritt Signora Papperitz auf einen Barockschrank zu, der die Mitte der rechten Wand einnahm und den Malberg schon auf den ersten Blick bewundert hatte: verschnörkelter römischer Barock, sechzehntes Jahrhundert, mit gedrehten Säulen auf beiden Seiten und Intarsien auf beiden Türflügeln.
Malberg hatte eigentlich erwartet, dass ihm der Kleiderschrank zur Verfügung stünde, aber als Signora Papperitz die rechte Schranktür öffnete, quollen ihr Kleider entgegen, die sie offensichtlich schon vor vielen Jahren abgelegt hatte. Mit einer heftigen Armbewegung schob sie abgetragene Jacken, Röcke und Kostüme zur Seite. Malberg staunte.
Hinter den Kleidungsstücken kam eine zweite, mit einem einfachen Klappriegel verschlossene Tür zum Vorschein. Mit einem Ruck drückte sie den Riegel nach oben. Die Tür sprang auf und gab den Blick frei in einen weiteren kleinen Raum, zu dem es offenbar keinen anderen Zugang gab.
»Kommen Sie«, sagte die
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