Die Achte Suende
Caterina zu beschwichtigen, »ich bin mit einer kleinen Kammer zufrieden. Ich brauche nur meine Ruhe. Im Übrigen halte ich es für sinnvoll, das Untermieterverhältnis zu beenden, noch bevor wir uns alle drei in die Haare geraten.«
Beleidigt hob Caterina die Schultern. »Gut, wenn Sie meinen.«
Paolo, der das Gespräch vor dem laufenden Fernseher scheinbar teilnahmslos verfolgt hatte, mischte sich ein: »Ich glaube, ich wüsste da etwas.«
»Du?«, entgegnete Caterina, die ihren Bruder selten ernst nahm. »Signor Malberg braucht ein Zimmer oder eine Wohnung, in der er vor den Meldevorschriften sicher ist.«
»Genau das«, nickte Paolo, »einen Augenblick.« Er griff zum Telefon, und nach einem kurzen Wortwechsel legte er auf und sagte an Malberg gewandt: »Nur zwei Straßen weiter vermietet Signora Papperitz Zimmer an Künstler, Maler und Schriftsteller …«
»Aber auch an zwielichtige Gestalten«, fiel ihm Caterina ins Wort. »Davon abgesehen, ist das keine schlechte Idee.«
Malberg konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Paolo froh war, ihn loszuwerden. »Signora Papperitz?«, fragte er. »Eine Deutsche?«
»Oh nein, eine waschechte Römerin«, erwiderte Paolo. »Sie stammt allerdings von einem deutschen Maler ab, der sich vor hundertfünfzig Jahren längere Zeit in Rom aufhielt.« Und mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: »Behauptet sie jedenfalls. Sie können sich das Zimmer ja morgen ansehen, mit einem Gruß von Paolo. Via Luca 22.«
Am Abend, bevor Malberg aus Caterinas Wohnung ausziehen wollte, geschah etwas Merkwürdiges, und es geschah völlig unerwartet – jedenfalls hatte er längst nicht mehr daran geglaubt.
Wie immer verbrachte Paolo die halbe Nacht aushäusig. Malberg und Caterina hatten etwas getrunken. Nicht so viel, dass der Alkohol ihre Gedanken vernebelt hätte, aber gerade genug, um Hemmungen abzulegen und ein anregendes Gespräch zu führen.
Obwohl er selbst kaum etwas von Caterina wusste, hatte sie es auf geschickte Weise verstanden, ihn zum Reden zu bringen. War es Absicht oder vom Zufall gesteuert, jedenfalls entstand dabei jene spannungsgeladene Atmosphäre, die der Magie sexueller Anziehung vorausgeht.
Bisher waren sich beide mit distanzierter Höflichkeit begegnet. Und das Misstrauen, welches jeder dem anderen entgegengebracht hatte, war – rückschauend – nicht unbegründet. Zwei Welten hatten sich einander angenähert, und obwohl beide dasselbe Ziel verfolgten, hatte keiner zum Wesen des anderen Zugang gefunden.
Auf Caterinas bohrende Fragen gab Malberg bereitwillig Auskunft. Was Frauen betraf, habe er in jungen Jahren – wie man im Deutschen zu sagen pflegt – nichts anbrennen lassen. Eine üppige Friseuse aus dem Salon gegenüber, blondiert, toupiert und aufs Jahr doppelt so alt wie er, habe ihn mit sechzehn verführt, oder umgekehrt. So genau wisse er das nicht mehr. Mit Liebe habe das nichts zu tun gehabt. Mit Sex vielleicht gerade noch. Keinesfalls jedoch mehr als fünfmal. Sie hieß Elvira.
Nicht weniger anziehend habe sich ihm im ersten Semester Philologie Zdenka genähert, dunkeläugig, schwarzhaarig und überaus intelligent. In der Tochter jugoslawischer Einwanderer glaubte Malberg die große Liebe gefunden zu haben. Sie heirateten, beide zweiundzwanzig. Die Ehe blieb kinderlos und dauerte gerade dreieinhalb Jahre. Seither habe sich in seinem Leben eine Beziehung an die andere gereiht. Die längste habe knapp fünf Jahre gedauert und sei ihm durchaus in guter Erinnerung geblieben.
Schuld an all den Fehlschlägen trage er wohl selbst. Mehr als einmal habe er den Vorwurf gehört, er sei in der Hauptsache mit seinen Büchern verheiratet und, was Frauen betraf, nur zu einer morganatischen Ehe fähig.
Während Malberg aus seinem Leben erzählte, fixierte ihn Caterina mit ernstem Blick. Schließlich sagte sie beinahe traurig: »Sie tun mir irgendwie leid.«
Nach einer Pause des Nachdenkens fragte Malberg zurück: »Warum tue ich Ihnen leid?«
»Sie sind immer Herr über Ihre Gefühle.«
»Das ist richtig. Aber es muss Ihnen wirklich nicht leid tun.«
Selbstsicher sah er Caterina an. In ihren Augen spiegelte sich Melancholie. Aber schon im nächsten Augenblick funkelte aus denselben Augen pure Leidenschaft. Plötzlich war alles anders. Seine Sinne spielten verrückt, als Caterina unvermittelt sagte: »Lukas, wollen Sie mit mir schlafen?« Lukas glaubte sich verhört zu haben. Überrascht lehnte er sich in seinem Korbstuhl zurück.
Plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher