Die Achte Suende
Signora und kletterte in gebückter Haltung durch den Schrank.
Der Raum, etwa drei mal sechs Meter groß, hatte ein schmales, hohes Fenster, gerade mal halb so breit wie die übrigen Fenster der Pension. Die weiß getünchten Wände waren kahl, das Mobiliar karg: ein Tisch, ein Stuhl, eine durchgesessene Liege, ein alter Schrank, kaum einen Meter breit.
»Im Bedarfsfall sind Sie hier sicher. Sie dürfen nur nicht vergessen, die äußere und innere Schranktür zu schließen und die Kleidungsstücke vorzuschieben.«
Malberg empfand für die clevere Signora eine gewisse Bewunderung.
»Sicher haben Sie von Lorenzo Lorenzoni gehört«, bemerkte sie trocken, und dabei zog sie die geschwärzten Augenbrauen hoch.
»Sie meinen den Paten, dessen Leiche man vor ein paar Jahren aus dem Tiber gefischt hat?«
Die Signora nickte und warf demonstrativ einen Blick auf die Liege.
»Nein!«, rief Malberg entrüstet.
»Doch. Er war drei Monate bei mir zu Gast. Für den letzten Monat schuldet er mir noch immer die Miete. Eines Tages sagte er, er wolle nur kurz Luft schnappen. Aber er kam nicht mehr zurück. Am Morgen darauf trieb seine Leiche im Tiber.«
Malberg fühlte sich unbehaglich. Hatte er es nötig, sich in einer Mafia-Absteige zu verstecken? Er wollte sich schon dankend verabschieden, als ihm klar wurde, dass er es nötig hatte. Immerhin stand er unter Mordverdacht. Selbst wenn er seine Pläne aufgab, nach dem Mörder Marlenes zu suchen, war er kein freier Mann. Er musste damit rechnen, dass man ihn bei nächster Gelegenheit verhaftete. Hier konnte er sich einigermaßen sicher fühlen.
Obwohl der kleine Raum schon seit längerer Zeit nicht mehr gelüftet worden sein mochte, holte Malberg tief Luft. Aus der Innentasche seines Sakkos zog er sein Scheckbuch hervor, kritzelte ein paar Zahlen auf die dafür vorgesehene Stelle und unterschrieb mit flüchtiger Hand. Dann reichte er der Signora das Papier.
Signora Papperitz warf einen kurzen Blick auf den Scheck und küsste ihn, wie es ihre Art war. Sie küsste im Übrigen auch Geldscheine, die man ihr gab, was in punkto Hygiene natürlich noch fragwürdiger erschien als die demonstrative Liebesbezeugung einem Scheck gegenüber. Schließlich verschwand sie durch die Schranktür; dabei drehte sie sich noch einmal um und rief: »Telefon geht natürlich extra!«
Nachdem auch Malberg das geheime Zimmer verlassen und den Schrank mit der Geheimtür in Ordnung gebracht hatte, sah er sich in seiner neuen Bleibe um. Gewiss, er hatte schon komfortabler gewohnt, aber in Anbetracht der Umstände ließ es sich bei Signora Papperitz durchaus aushalten. Zufrieden ließ sich Malberg auf die Couch, die ihm auch als Schlafstätte dienen sollte, fallen, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und dachte nach.
Die Nacht mit Caterina hatte Marlene vorübergehend in den Hintergrund treten lassen. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu dem unerwarteten Erlebnis zurück, das ihn über die Maßen beschäftigte. Vor allem beschäftigte ihn eine Frage: Wie sollte es weitergehen? Denn weitergehen sollte es unbedingt. Die Gefühle, die er Caterina entgegenbrachte, waren viel zu intensiv für ein einmaliges, flüchtiges Abenteuer.
Es ging auf Mittag zu, und Malberg begann die Stunden zu zählen, bis Caterina nach Hause kam. Merkwürdig, er hatte bestimmt mit mehr als einem Dutzend Frauen geschlafen – genau hatte er darüber nie Buch geführt –, doch nun fühlte er sich mit einem Mal unsicher, wie er Caterina gegenübertreten sollte.
Zwei Dinge mochten zu dieser Unsicherheit beitragen: Zum einen die ungewöhnlichen Umstände, die sie zusammengeführt hatten. Zum anderen kannten sie sich kaum.
Während Malberg seinen Gedanken nachhing, hielt er den Blick auf den Kleiderschrank mit dem geheimen Eingang gerichtet. Über sein Gesicht huschte ein Lächeln. In welchem Milieu war er gelandet! Eine zwielichtige Pension mit einer nicht minder zwielichtigen Zimmervermieterin. Ein Schrank mit einer Geheimtür in einen nicht minder geheimnisvollen Nebenraum. Malberg hielt inne.
Vor ihm tat sich plötzlich ein neuer Weg auf.
Kapitel 21
In der Maske eines biederen Geschäftsmannes landete Anicet auf dem römischen Flughafen Fiumicino. Ein Taxi, gesteuert von einem tunesischen Fahrer, brachte ihn zum Hotel Hassler, Piazza Trinità dei Monti. Das Hassler lag malerisch über der Spanischen Treppe. Dort war für ihn ein Zimmer mit grandioser Aussicht reserviert.
Nachdem er sich frisch gemacht und einige
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