Die Achte Suende
überzeugend.
»Sie brauchen mir nicht ständig zu zeigen, dass ich Ihnen nicht gerade sympathisch bin«, erklärte Duca. »Also, was wollen Sie?«
»Eine Auskunft, eine schlichte Auskunft.«
»Und die wäre?«
»Nennen Sie mir Namen und Adresse des Mannes, der das Grabtuch auf so vorzügliche Weise gefälscht hat.«
John Duca reagierte nicht und blickte starr an Anicet vorbei.
»Der Mann«, nahm Anicet seine Rede wieder auf, »ist ein Genie, ein Künstler von hohen Graden, Archäologe, Alchimist und Naturwissenschaftler in einem und, wie mir scheint, auch noch theologisch gebildet. Wenn ich einen Vergleich anstellen sollte, dann fällt mir nur Leonardo da Vinci ein. Aber der ist seit fünfhundert Jahren tot, und seitdem gab es keinen, der ihm das Wasser reichen könnte.«
Ziemlich von oben herab antwortete Duca: »Lieber Freund, warum sollte ich Ihnen den Namen dieses Genies verraten – vorausgesetzt, ich wüsste ihn überhaupt?«
Anicet strich seine langen Haare nach hinten, was stets ein Zeichen äußerster Unruhe und Anspannung war. Dann entgegnete er aufgebracht: »Jetzt lassen Sie endlich Ihre Spielchen! Ich glaube, Sie überschätzen
Ihre
und unterschätzen
meine
Möglichkeiten. Aber wenn Sie uneinsichtig sind, können wir auch mit härteren Bandagen kämpfen. Ich sage nur ›Ordo JP‹.«
Mit hämischem Grinsen beobachtete Anicet ein Zucken um Ducas Mundwinkel, und er fuhr fort: »Natürlich werden Sie jetzt sagen: Was bedeutet ›Ordo JP‹? Aber bevor Sie das tun, möchte ich Ihnen etwas zeigen.«
Gemächlich zog Anicet aus seiner Jackentasche einen Packen gefalteter Papiere und breitete sie vor Duca aus.
»Woher haben Sie das?«, sagte der Banker aufgeregt.
Ohne auf die Frage einzugehen, begann Anicet: »Ordo JP war der präzise beschriebene Plan für die Ermordung Papst Johannes Pauls I., an der ein gutes Dutzend Mitglieder der Kurie beteiligt war. Und unter den Beteiligten« – er hielt Duca ein Blatt vor die Nase – »taucht ein Name auf, der Sie interessieren dürfte: John Duca. Die übrigen Aufzeichnungen beschränken sich auf das genaue Procedere zwischen dem 8. und dem 28. September 1978, dem Tag, an dem der Papst sich ins Bett legte und nicht mehr aufwachte …«
»Hören Sie auf!«, zischte John Duca mit gepresster Stimme und schob die Papiere, die Anicet vor ihm ausgebreitet hatte, von sich.
Nach einer Weile, in der sich die beiden Männer schweigend anstarrten, sagte Duca: »Kompliment, Sie sind gut informiert, obwohl Sie schon damals im anderen Lager waren. Dann wissen Sie ja auch, wie das damals abgelaufen ist. Als Johannes Paul zum Papst gewählt worden war, drohte er den Sumpf auszutrocknen, in dem das IOR steckte. Doch damit unterschrieb er sein Todesurteil. Zu viele Männer innerhalb und außerhalb der Kurie hatten Dreck am Stecken. Sie mussten um ihre Karriere und ihr Vermögen fürchten, Gelder, die in der Schweiz, in Liechtenstein und San Marino gebunkert waren. Sollte der Kirchenstaat nicht bankrott gehen, so gab es nur eine Lösung: Johannes Paul, ein redlicher Mann von naiver Frömmigkeit, musste zum Schweigen gebracht werden. Gonzaga arbeitete die Pläne des Ordo JP aus. Heute glaube ich, Gonzaga nahm die unsauberen Geldgeschäfte des IOR nur zum Vorwand, Johannes Paul zu beseitigen. Ich bin sicher, auch Gonzaga hoffte genau wie Sie, zum neuen Papst gewählt zu werden. Nur so ist die Verbitterung zu erklären, in die er sich geflüchtet hat.«
»Und wer wusste von dem Komplott?«
»Alle wichtigen Männer der Kurie und die Mehrzahl der Kardinäle, nicht alle. Warum, glauben Sie, wurde der unbedarfte Pole Woytila zum Papst gewählt? Er kam aus einem kommunistischen Land und hatte von Geldgeschäften keine Ahnung. In dieser Situation war er genau der richtige Mann. Aber warum erzähle ich Ihnen das alles?«
»Vielleicht, weil Sie Ihr schlechtes Gewissen plagt.«
John Duca hob die Schultern: »Ich habe nur das Nikotin-Sulfat besorgt, ein tückisches Gift. Ein Tropfen genügt, um einen Menschen um die Ecke zu bringen. Gonzaga hatte in Erfahrung gebracht, dass der gerade erst gewählte Papst jeden Abend vor dem Schlafengehen ein Glas Wasser trank. Alles andere ergab sich dann von selbst. Und da Päpste bis dahin aus gutem Grund nie obduziert wurden, war das Risiko, dass der Mord entdeckt würde, sehr gering.«
»Perfekt«, bemerkte Anicet mit einem teuflischen Grinsen, »wirklich perfekt. Jetzt verstehe ich auch, warum ein von Geldgeschäften unbeleckter Benediktiner
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