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Die Achte Suende

Die Achte Suende

Titel: Die Achte Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Abiturfoto, entdeckte Malberg sich selbst, eine Reihe hinter Marlene. Wie hatte sie sich verändert.
    Die übrigen Bilder zeigten Marlene auf Urlaubsreisen: allein vor dem Eiffelturm, auf einem Kamel reitend in der Wüste, an Bord eines Kreuzfahrtschiffes in der Karibik. Aber auch in männlicher Begleitung in einer Gondel in Venedig, auf dem Empire State Building in New York und vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
    »Wer ist der Mann?«, erkundigte sich Caterina, deren Blicke ebenfalls über die Bilder wanderten.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Lukas wahrheitsgemäß.
    Der Mann war deutlich älter als Marlene, groß und mit schütterem grauem Haar, und wirkte bei näherem Hinsehen nicht sonderlich sympathisch. Die Häufigkeit, mit der der Fremde auf den Fotos auftauchte, legte den Verdacht nahe, dass es sich wohl kaum um eine Zufallsbekanntschaft handelte oder ein Verhältnis von kurzer Dauer. Ihm gegenüber hatte Marlene nie eine Partnerschaft erwähnt. Malberg hatte eher den Eindruck gewonnen, dass sie stolz auf ihr Singledasein war und von Männern nichts wissen wollte. Nein, die Fotos an der Wand brachten ihn keinen Schritt weiter, und erste Zweifel wurden wach, ob er sich mit der Spurensuche in Marlenes Wohnung nicht in etwas verrannt hatte. Die peinliche Ordnung, die penible Sauberkeit, die einem überall entgegenblitzte, ließen nur einen Schluss zu: Die Verantwortlichen für Marlenes Tod hatten alle Spuren beseitigt, die irgendwelche Rückschlüsse zuließen.
    Enttäuscht und eher lustlos öffnete er die ausklappbare Schreibplatte eines Barocksekretärs links neben dem Zugang zum Badezimmer. Auch hier dieselbe provozierende Ordnung und Sauberkeit wie überall: Briefpapier und Kuverts ordentlich gestapelt und aufgerichtet, Büroklammern in einer durchsichtigen Plastikschale, mehrere Rollen Klebestreifen, ein Brieföffner und eine Schere, kein einziger persönlicher Brief, keine Notiz, keine Aufzeichnung, nichts.
    Malberg öffnete eine kleine Lade in der Mitte. Sie klemmte ein wenig, und er rüttelte am Griff. Plötzlich hörte man ein leises metallisches Geräusch, und die Lade ließ sich aufziehen. Sie war leer. Doch als Malberg sie wieder schließen wollte, spürte er einen Widerstand. Als er nachsah, entdeckte er eine Kette mit einem schlichten Medaillon; Caterina trat hinzu und betrachtete den Fund. »Was ist das für ein merkwürdiges Zeichen auf dem Medaillon?« Malberg hob die Schultern. »Scheint eine Art Runenkreuz zu sein.« Er überlegte einen Moment, dann steckte er das Medaillon ein.
    Malberg wandte sich einem unscheinbaren Wandtresor in Augenhöhe zu. Die Tür des etwa dreißig mal fünfzig Zentimeter großen, mit einem Zahlenschloss gesicherten Wandschranks war nur angelehnt. Als er sie öffnete, schlug ihm der Geruch eines scharfen Reinigungsmittels entgegen. Wie nicht anders zu erwarten, war der Tresor leer.
    »Die Leute haben ganze Arbeit geleistet«, bemerkte Lukas Malberg leise. »Da waren Profis am Werk, die nichts, aber auch gar nichts außer Acht gelassen haben.«
    Caterina nickte und ließ den Blick über die Bücherwand schweifen: »Und das macht alles nur noch rätselhafter.«
    Die Bücher, tausend bis zwölfhundert mochten es wohl sein, waren nicht gerade so alt, dass sie Malbergs Interesse als Antiquar geweckt hätten. Wissenschaftliche Bücher unterschiedlicher Fachrichtungen, Kunst-und Reisebücher bildeten den Hauptanteil, kaum Belletristik.
    Unwillkürlich verfing sich sein Blick an einem kleinen Buch mit rotem Lederrücken. Malberg erkannte es sofort. Dieses Buch hatte er Marlene beim Klassentreffen geschenkt: ein Schelmenroman im Schülermilieu. Titel:
Die Feuerzangenbowle
. Das Buch gehörte seit seiner Jugend zu Malbergs Lieblingsbüchern.
    Jetzt nahm er es aus dem Regal und schlug die erste Seite au£ Er hatte eine Widmung in das Buch geschrieben:
    Zur Erinnerung an unser erstes Klassentreffen und unsere gemeinsame Schulzeit – Lukas.
    Nachdenklich, beinahe liebevoll ließ er die Seiten durch seine Finger gleiten, als er plötzlich innehielt. Zwischen den Seiten 160 und 161 lag die Quittung eines Flugtickets der Lufthansa. Malberg legte das Buch beiseite und nahm die Rechnung näher in Augenschein.
    »Was ist das?«, erkundigte sich Caterina, der die Entdeckung nicht entgangen war.
    »Ein Flug nach Frankfurt, die Rechnung, ausgestellt auf den Namen Marlene Ammer.« Malberg machte eine Pause. »Aber das Datum, das Datum!«, rief er leise.
    Caterina nahm ihm die Rechnung aus

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