Die Achte Suende
Stufe nach der anderen, genau vierzehn. In der Wohnung blieb es totenstill.
Unten im Salon angekommen, sah er sich um. Er fühlte sich wie gelähmt und drehte sich schwerfällig um die eigene Achse.
Unwillkürlich blieb sein Blick an der Tür hängen, die ins Badezimmer führte. Er atmete unregelmäßig und hörte, wie sein Puls in den Ohren klopfte. Obwohl er sich der Unsinnigkeit seiner Gedanken bewusst war, starrte er auf die Tür und wartete darauf, dass Marlene ins Zimmer trat, bekleidet mit einem weißen Bademantel, das Haar unter einem Handtuch verborgen, und sagte: Warum kommst du erst jetzt? Ich habe auf dich gewartet. Wir waren doch verabredet. Und Malberg antwortete: Ja doch. Aber ich hatte einen bösen Traum. Ich möchte nicht darüber reden. Die Hauptsache ist, wir haben uns gefunden. Was war, sollten wir so schnell wie möglich vergessen. Er trat auf sie zu und zog sie in seine Arme und flüsterte ihr ins Ohr: Jetzt wird doch noch alles gut.
Malberg hielt inne. Er hörte seinen Namen: »Lukas, Lukas!«, spürte den energischen Griff zweier Hände, die ihn wachrüttelten, und es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, wer vor ihm stand: Die Frau in seinen Armen war nicht Marlene. Es war Caterina, die sich ihm lautlos genähert hatte.
»Wo ist Paolo?«, fragte er aufgeregt, nachdem er in die Wirklichkeit zurückgefunden hatte.
Caterina hielt Malberg noch immer fest. »Keine Sorge«, erwiderte sie, »Paolo sitzt oben vor der Tür und passt auf.«
Ziemlich abrupt löste sich Malberg aus Caterinas Umklammerung und zeigte auf die Tür zum Badezimmer: »Da war es, da!«, stammelte er. Die Erinnerung schnürte ihm die Kehle zu. Er konnte kaum sprechen.
Caterina nickte, ging auf die Tür zu, drehte sich noch einmal um, als wollte sie fragen: Soll ich? Als Lukas keine Regung zeigte, drückte sie die Klinke nieder, knipste das Licht an und verschwand im Badezimmer. Malberg folgte ihr zögernd.
Der grell weiß geflieste Raum mit den blitzenden Messingarmaturen war peinlich sauber. In seiner perfekten Sauberkeit wirkte er fast steril wie ein Operationsraum. Verstärkt wurde der Eindruck dadurch, dass das Badezimmer völlig leergeräumt war: kein Handtuch, keine Seife, kein Zahnputzbecher oder ein Haar-shampoo - nichts. Und nichts, das einen Hinweis auf den Mord an Marlene hätte geben können.
Beim Verlassen des Badezimmers fiel Malbergs Blick auf die Stelle, an der er den Eingang in Erinnerung hatte. Er gab Caterina ein Zeichen. Bevor er die Klinke der zweiflügeligen Tür herunterdrückte, hielt er einen Augenblick inne. Dann öffnete er die Tür.
Dahinter tat sich rohes Mauerwerk auf.
Ungläubig schüttelte Caterina den Kopf. Über Malbergs Gesicht huschte ein triumphierendes Grinsen.
»Glaubst du mir jetzt?«, fragte er, ohne eine Antwort zu erwarten. Dann schloss er die Tür wieder, die ins Nichts führte.
Der Salon bot ein Bild geschmackvoller Wohnlichkeit. Die linke, dem Badezimmer gegenüberliegende Seite wurde von einer deckenhohen Bücherwand eingenommen, unterbrochen durch eine eingebaute Tür, die ins Schlafzimmer führte.
Die Tür war nur angelehnt, so als habe jemand den Raum in aller Eile verlassen. Malberg zögerte, er hatte Hemmungen, so einfach in Marlenes Schlafzimmer zu gehen. Aber dann gab er sich einen Ruck und stieß vorsichtig die Tür auf. Mit seiner Rechten tastete er nach dem Lichtschalter. Zwei dreiflammige Wandleuchter tauchten das Schlafzimmer in warmes Licht. Ein französisches Bett nahm beinahe die ganze gegenüberliegende Wand ein.
Malberg stutzte. Über dem Bett hingen die gleichen frivolen Bilder, die er schon im Schlafzimmer der Marchesa Falconieri entdeckt hatte.
»Ist sie das?«, erkundigte sich Caterina, nachdem sie die Fotos näher in Augenschein genommen hatte.
»Hm«, erwiderte Lukas mit gespielter Beiläufigkeit.
»Sie war eine ungewöhnlich attraktive Frau.« Caterina betrachtete die Bilder mit einem eifersüchtigen Blick.
Malberg tat, als überhörte er die Bemerkung, und wandte sich dem Kleiderschrank auf der linken Seite zu. Der Schrank quoll über von Kleidern, Röcken und Kostümen der elegantesten Art. Zweifellos hatte Marlene auf großem Fuß gelebt.
Zurück im Salon, sah sich Malberg nach Indizien um, aus denen er vielleicht Rückschlüsse auf ihr Leben ziehen konnte. Zwischen den drei rundbogigen Türen zur Dachterrasse hin hingen in bunter Reihe etwa zwei Dutzend gerahmte Fotografien von unterschiedlicher Größe. Auf einem, dem gemeinsamen
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