Die Achte Suende
der Hand und sah ihn fragend an: »26. August?«
»Einen Tag, nachdem Marlene nach Frankfurt fliegen wollte, wurde sie ermordet. Und obwohl wir verabredet waren und ein paar gemeinsame Tage in Rom verbringen wollten, hat sie von ihren Reiseplänen kein Wort erzählt.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Caterina und hielt die Quittung prüfend ins Licht. »Vielleicht hat sie eine Umbuchung vorgenommen.«
»So wird es sein!«, erwiderte Malberg in einem Anflug von Resignation. Minutenlang starrte er vor sich hin ins Leere. War Marlene auf der Flucht gewesen? Was suchte sie in Frankfurt? Und wer wollte unter allen Umständen diese Reise verhindern? Mit einer gewissen Bitterkeit stellte Malberg fest, dass er die Frau, die für ihn mit einem Mal wichtig geworden war, gar nicht kannte.
Die Quittung in dem Buch war der einzige Hinweis, welcher der Polizei, ihren Verfolgern oder wer auch immer hinter der ganzen Sache stecken mochte, entgangen war. Hatte sie vielleicht absichtlich die Rechnung in
seinem
Buch versteckt, um ihm eine Nachricht zu hinterlassen? Die Chance, dass er sie entdeckte, stand eins zu tausend. Und wenn sie ihm auf diese ungewöhnliche Weise etwas mitteilen wollte, warum nicht mit einem eindeutigen Hinweis? Was sollte dieses Theater?
Malberg dachte angestrengt nach. Aber je länger er grübelte, desto mehr wurde ihm bewusst, dass die Rechnung auch zufällig in seinem Buch gelandet sein konnte. Vielleicht hatte Marlene gerade in dem Buch gelesen. Es klingelte an der Tür, und weil niemand von ihren Reiseplänen erfahren sollte, ließ sie die Rechnung in dem Buch verschwinden und stellte es ins Regal zurück. Er schüttelte den Kopf.
Caterina gab Lukas die Quittung zurück. Seine tiefe Ratlosigkeit ging ihr zu Herzen. Obwohl von Berufs wegen mit einer guten Kombinationsgabe ausgestattet, wusste auch sie nicht weiter. Im Übrigen fühlte sie sich unwohl in der fremden Wohnung, die ein dunkles Geheimnis umgab.
»Paolo«, rief sie beinahe flüsternd nach oben, »bist du noch da?«
»Keine Sorge«, kam es ebenso leise von oben zurück. »Aber ich wäre ganz dankbar, wenn der Abend allmählich zu Ende ginge. Es geht auf vier Uhr zu, und die Batterie der Taschenlampe macht langsam schlapp. Außerdem bin ich hundemüde. Man ist schließlich auch nicht mehr der Jüngste.«
Ohne auf Paolos Scherz einzugehen, sagte Malberg: »Der Junge hat recht. Machen wir Schluss.« Er nahm das Buch an sich und legte die Rechnung wieder hinein. »Wir sollten jetzt besser verschwinden.«
Caterina nickte erleichtert. Sie war froh, die Wohnung dieser merkwürdigen Frau zu verlassen.
»Und lass das Licht brennen!«, flüsterte sie auf dem Weg zur Galerie.
Kapitel 23
Unter einem Gemälde des heiligen Borromäus, der von seinem Oheim Papst Pius IV. im sechzehnten Jahrhundert zum Kardinalstaatssekretär erhoben wurde, trafen sich sechs entschlossen dreinblickende Herren in Schwarz. Das monumentale Gemälde im Büro des Präfekten der Glaubenskongregation war der einzige Wandschmuck in dem sonst eher kahlen Raum. Ein wuchtig-breiter Schreibtisch nahm die Stirnseite ein. Die Mitte wurde von einem nackten Refektoriumstisch mit vier kantigen Stühlen zu beiden Seiten und einem weiteren an der oberen Schmalseite eingenommen, von wo der Blick auf ein Wandkreuz fiel.
Die Begegnung verlief zunächst schweigsam. Und selbst die Begrüßung beschränkte sich auf ein würdevolles, stummes Kopfnicken, sobald einer den Raum betrat.
Das war keineswegs ungewöhnlich bei derartigen Zusammenkünften, denn Kardinal Bruno Moro, der Leiter des Heiligen Offiziums, galt als Feind unnützer Worte. Ungewöhnlich war eher die Zeit der Zusammenkunft. Die gebläuten Zeiger seiner Rolex, ein Geschenk seines früheren Bistums zu seinem siebzigsten Geburtstag, zeigten auf dreiundzwanzig Uhr. Um diese Zeit herrschte im Vatikan für gewöhnlich der klerikale Friede des Herrn.
Während Moro hinter seinem Schreibtisch saß und noch in seine Akten vertieft war, nahmen die Eintretenden, einer nach dem anderen, an dem kahlen Mitteltisch Platz. Und einer nach dem anderen legte die rechte Hand über den linken Handrücken und starrte vor sich hin, als erwarte er die Ankündigung des Jüngsten Gerichts: Zur Linken, den hohen Fenstern des Raumes zugewandt, Monsignor Giovanni Sacchi, Privatsekretär des letzten Papstes, mit militärischem Haarschnitt, einer billigen Nickelbrille und einem Gesichtsausdruck, als graue ihm schon jetzt vor der bevorstehenden Nacht auf
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