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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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dem Bischof zum Essen, fuhr am anderen Tag zum Sommersitz des Fürsten, um mit ihm eine Nacht über Bodenbehandlung und Fruchtfolge zu disputieren, und am dritten Abend tauchte er in die Unterwelt ab, wo die Hebammen, Teufelsaustreiber und Schnapsbrenner lebten.
    Um Trine Deichmann zu treffen, war er in die Fluchbüchse gefahren. Dort half Trine ihrer Tochter in der voll besetzten Wirtsstube. Nicht nur Distelkamp war hinterbracht worden, dass der Wirt sich seit Kurzem rarmachte . »Er wird sich doch nicht etwa herumtreiben?«
    »Warum nicht? Er ist nicht zu alt dafür. Und sieht gut aus.«
    Einige Minuten lästerten sie über Männer, die gut aussahen. Insgeheim wartete jeder in der Runde auf eine Bemerkung, die ihn selbst als zu dieser Gruppe zugehörig bezeichnen würde. Doch die Bemerkung blieb aus.
    Die städtische Hebamme hatte angeblich nicht gewusst, was die Witwe zu dem Vorhaben getrieben hatte, ein großes Schiff auf Kiel zu legen. »Warum kommt Ihr mit der Frage zu mir?«, hatte sie gefragt, und Distelkamp hatte geantwortet: »Weil Ihr mehr wisst als andere.«
    »Und Ihr glaubt, wenn es so wäre, würde ich mit Euch reden?«
    »Ihr hättet nur Vorteile davon. Und die Witwe keinen Nachteil. Es ist ja kein Verbrechen, wenn auf einer Werft ein Schiff entsteht.«
    »Hoffen wir, dass alle in jeder Minute daran denken werden.«
    »Worauf spielt Ihr an?«
    »Euer Besuch ist für mich der Beweis, dass es Lübecker gibt, die sich auf den Fuß getreten fühlen.«
    So war die Hebamme: freundlich, vorsichtig, defensiv, um dann zu beweisen, dass sie alles bis zum Ende durchdacht hatte. Sie spendierte dem Besucher zwei Becher vom Wein, den das Rheinland geschickt hatte, und sagte: »Betrachtet Euch als eingeladen. Aber ich stelle Euch frei, eine Spende für die Armen zu geben.«
    Distelkamp steckte zwei Münzen in die Dose. Nicht weil er musste, sondern weil er wollte. Weil die Armen dafür da waren, dass die Reichen fleißig blieben, um nie arm zu sein. Im Grunde hätte man die Armen dafür bezahlen müssen, die Armen zu spielen, wie man die Hebammen dafür bezahlte, neue Lübecker ins Licht der Welt zu ziehen. Nichts steigerte den Fleiß der Lübecker zuverlässiger als eine Handvoll verlauster und räudiger Strolche, die sich vor der Schifferbörse die Beine in den Bauch standen. Abschreckendere Beispiele waren nicht vorstellbar. Wer fleißig war, trug saubere Kleider und hatte jeden Tag ein warmes Essen auf dem Tisch. Wer faul war, litt an Ungeziefer, stank nach Dreck und lebte in den Tag hinein.
    »Was sagt uns das?«, fragte Gleiwitz Kekse kauend.
    Distelkamp antwortete: »Das sagt uns, dass die Madames miteinander reden. Und dass sie sich vor Lachen ausschütten, wenn sie es uns zeigen können.«
    »Wem?«
    »Na uns!«
    »Ja, aber wen genau meint ihr? Die Lübecker? Die Kaufleute? Alle redlich denkenden Menschen?«
    »Ich meine die Männer! Wenn Ihr Euch weniger mit den Keksen beschäftigen würdet, könntet Ihr dem Gespräch leichter folgen.«
    »Die Männer? Also, ich weiß nicht, ob   …«
    Auch die anderen in der Runde konnten Distelkamp nicht folgen. Was hatte das Geschlecht mit dem Bau eines Schiffes zu tun? Aber womit hatte es zu tun? Konnte etwas anderes dahinterstecken als eine Feindschaft zwischen Rosländer und Schnabel?
    »Ihr denkt zu klein«, rief Distelkamp. Er schätzte es, in einer Runde der Schnellste zu sein. Was er nicht schätzte, war es, wenn die Langsameren ihre Begriffsstutzigkeit so quälend breittraten. »Ihr denkt immer nur in Geschäften. Rosländer ist größer als Schnabel! Rosländer baut die haltbareren Schiffe! Rosländer ist   …«
    »Na, na, na!«, rief Schnabel dazwischen. »Da muss ich denn doch Einspruch einlegen.«
    »Tut das«, knurrte der Theologe. »Solange Ihr Euren Einspruch nicht mit der Wahrheit verwechselt   …«
    Natürlich hatten die beiden Werften in der Vergangenheit keine Schiffe gebaut, die identisch waren. Jede Werft stattete ihre Schiffe mit Besonderheiten aus. Schnabel baute Schiffe, die anderen in der Höchstgeschwindigkeit unterlegen waren. Dafür galten sie als besonders hochseetüchtig und haltbar. Von Rosländer kamen schlanke Boote, von Ladefähigkeit und Tragfähigkeit bescheiden, dafür stabil und mit pfiffigen Lösungen im Detail ausgerüstet. Für einen Bollerkopf wie Rosländer wiesen sie überraschend poetische Verzierungen auf, die Dekoration war weithin sichtbar. An Farbe wurde auf seiner Werft nicht gespart, dabei war Farbe teuer und trug

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