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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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nicht zur Sicherheit bei. Sie war nur schön – vorausgesetzt, man schätzte Rosländers Farben Braun und Ochsenblutrot.
    Die Schiffe anderer Werften waren farblich zurückhaltend oder kreisten um Rot und Weiß, die Farben Lübecks. Mit jedem Rosländer-Schiff wurde auch eine Truhe mit Wimpeln und Flaggen ausgeliefert. Sie waren naturgemäß nicht groß, aber die Abbildungen zeigten keine Wappen oder die Buchstaben von Werft oder Eigner. Sie zeigten deftige Motive: eine geballte Faust, ein enorm vergrößertes Auge, die Muskeln eines Oberarms, in jedem Fall Körperteile, die ein Seemann braucht, die den guten vom schlechten Seefahrer unterscheiden, die Besatzung und Schiff durch Stürme und unbekannte Gewässer manövrieren konnten.
    In jeder Truhe lag auch ein Wimpel, der erst auf hoher See gehisst wurde – und nur dann, wenn sich keine Frau an Bord befand. Dieser besaß eine andere Form, er zeigte steil nach oben, und das tat auch das abgebildete Körperteil. Es hatte lange gedauert, bis sich die Kunde von diesem speziellen Wimpel herumzusprechen begann. Der Aufruhr in der Stadt war beträchtlich. Wie üblich wollte sich die Kirche an vorderster Front der Empörten aufstellen. Doch sie fand diesen Platz bereits besetzt, denn hier standen Frauen, die in Lübeck jeder kannte – wenn nicht persönlich, so dem Namen nach. Sie waren nicht mehr jung und immer verheiratet, zwei von ihnen hatten es geschafft, ihre Männer mitzuschleppen. Das war für die wackeren Ehemänner der Beginn eines langen Martyriums, das bis zum heutigen Tag dauerte und zu ihren Lebzeiten wohl nicht mehr aufhören würde. Jeder machte sich über die unterdrückten Männer lustig, die dagegen protestieren mussten, wenn Teile des Körpers, die nach Lage der Dinge auch Teile ihres eigenen Körpers waren, denen gezeigt wurden, die diese Teile kannten und bei ihrem Anblick nichts anderes taten als zu pfeifen, zu lachen und unanständige Bemerkungen zu äußern, die im Kreis von Seeleuten keinen Schaden anrichten konnten.
    Selbst Anna Rosländer, der die Hetären das Haus einrannten, fand an dem Wimpel nichts auszusetzen.
    »Was wollt Ihr?«, lauteten ihre ersten Worte. »Sie sind Männer, sie sind auf See, sie üben einen anstrengenden Beruf aus, vielleicht den gefährlichsten, den es unter unserem Himmel gibt. Soll ich ihnen das bisschen Vergnügen verbieten? Wer hat einen Schaden davon? Nennt Namen!«
    Die Hetären nannten die Namen aller anständigen Lübecker Frauen. Lange ging es hin und her, im Salon Rosländer stand man sich gegenüber wie feindliche Heere.
    Bis Anna die entscheidende Frage stellte: »Wer von Euch hat den Wimpel schon gesehen?«
    Ein einsamer Arm schoss in die Höhe und sank herunter, als der voreiligen Hetäre zugezischt wurde, dass mit dem Wimpel tatsächlich der Wimpel gemeint war und nicht die Wirklichkeit.
    Anna blickte in die Runde und fragte: »Wollt Ihr ihn sehen? Ich habe einen im Haus.«
    In diesem Moment veränderten sich Annas Beziehungen zu einigen Lübecker Frauen und zwar zum Schlechten. Distanz und Feindschaften entstanden, die auch der Tod des Reeders nicht auslöschen konnte. Bei der Beerdigung waren Plätze frei geblieben, die bei anderen Lübecker Honoratioren belegt gewesen wären.
    Anna Rosländer hatte den Wimpel nicht gezeigt, es gab keinen im Haus, und sie forderte ihren Mann später auch nicht auf, ihn ihr zu zeigen.
    Schnabel war dieser Auflauf im Hause Rosländer seinerzeit brühwarm hinterbracht worden. Er dachte heute noch gern daran zurück, wenn er es auch verstand, sein Gesicht im Zaum zu halten und nicht zu grinsen, wo nicht gegrinst werden durfte.
    Es waren diese Kleinigkeiten, die ihn für seinen alten Rivalen einnahmen. Kein persönliches Anschreiben und kein Absender hatten in dem Umschlag gelegen, den ein Bote später im Kontor abgegeben hatte. Nur ein nachlässig abgerissenes Papier, auf dem die Worte »Nur entfalten wenn allein« standen. Schnabel kannte Rosländers Handschrift. Sie sah so aus, als würde ihm jedes einzelne Wort Mühe bereiten. Dass er einer Familie entstammte, in der man nicht schreiben und lesen konnte, hatte Rosländer nie verleugnet. Auch nicht, dass er sich noch an seinem 14. Geburtstag die schriftlichen Glückwünsche vorlesen lassen musste.
    So gab es also – abgesehen von technischen Daten und Wimpeln – nur einen Unterschied zwischen den Werften: Das war der Preis. Seit dem ersten Auftrag, den Rosländer auf Kiel gelegt hatte, war er günstiger gewesen als

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