Die Adler von Lübeck: Historischer Roman
Und jetzt unterstellt Ihr mir Unzucht und Ehebruch und tut so, als ob es sich um kleinen Frevel handelt.«
»Er gibt es zu«, sagte Pfeiffer mit einer Befriedigung, an der ihn etwas störte. Er wusste nur nicht was. »Er gibt es zu«, murmelte er. »Der Schweinehund kann seine Finger nicht von meinem Kind lassen.«
Die Männer starrten sich an. Eigentlich starrte nur Pfeiffer, Deichmanns Blick war nicht unfreundlich. Nicht bedrohlich. Und nicht schuldbewusst.
»So geht das nicht«, stammelte Pfeiffer. »Schuld fordert Strafe.«
»In Ordnung«, sagte Deichmann und erhob sich.
Er war schon im Durchgang zum Laden, als Pfeiffer rief: »Wohin wollt Ihr?«
»Wir beide gehen jetzt zum Gericht. Da werdet Ihr erzählen, was Ihr mir vorwerft.«
»Und Ihr? Was werdet Ihr tun? Werdet Ihr den Frevel gestehen? Ihr wisst, dass auf Euch eine harte Strafe wartet.«
»Ich werde meine Sicht der Dinge erzählen, werde von Sybille Pieper reden, die seit einiger Zeit einen neuen Kunden in der Stadt hat. Und nicht nur sie, auch ihre Mithexen aus dem Dorf und aus dem Dorf nebenan, und wer weiß, wer noch alles auf den Tisch kommen wird. Die Luft im Gericht fördert die Wahrheitsliebe.«
»Deichmann, bleibt stehen!«
»Habt Ihr etwas gesagt?«, erklang es aus dem Laden. »Ich kann Euch schlecht hören.«
»Kommt her, wir trinken noch einen Schluck. Es hat Euch doch gut geschmeckt! Vielleicht schenke ich Euch den Rest aus der Flasche!«
»Oder eine neue Flasche, eine gefüllte!«
»Oder das! Kehrt um! Ich sehe Euch nicht.«
Da erschien er, stand im Durchgang, lächelte ohne Angst, und Oswald Pfeiffer wusste, dass etwas schiefgegangen war. Er wusste nur nicht was.
Nachdem Joseph Deichmann einen Rundgang durch alle Räume absolviert hatte, lag vor ihm, was er ausgewählt hatte. Safran und Zucker vor allem. Aber auch Wurzeln der Alraune.
»Ihr seid großzügig mit anderer Leute Eigentum«, knurrte Pfeiffer.
»Dafür lasse ich Euch Euer Töchterlein . Schaut mich nicht so zornig an! Das Kind ist mir zu fromm. Das wird auf die Dauer anstrengend.«
»Wem sagt Ihr das«, brach es aus dem geplagten Vater heraus. »Sie betet von morgens bis abends. Dreimal am Tag in die Kirche, ist das Mindeste. Aber sie geht nicht hin und gut. Sie steht jedes Mal vor mir und will wissen, warum ich auch diesmal nicht mitgehen werde. Ich sage: Ich betreibe eine Apotheke und keinen Devotionalienhandel. Sie sagt: Das eine schließt das andere nicht aus. Ich sage: Ich muss eine Familie ernähren. Sie sagt: Ich ernähre mich von der Gnade des Herrn. Es ist nicht zum Aushalten mit dem Kind. Und ich weiß nicht, von wem sie das hat. Von mir gewiss nicht.«
Deichmann goss die Becher voll und den von Pfeiffer gleich noch einmal.
Dann sagte er: »Glaubt Ihr wirklich, das fromme Gör würde mit mir die Ehe brechen?«
»Ich glaube, dass Ihr Euch an sie herangemacht habt.«
»Da habt Ihr sogar recht.«
Damit hatte Pfeiffer nicht mehr gerechnet. Verdutzt starrte er den Wirt an, der darüber herzhaft lachte.
»Ach, Pfeiffer, Ihr seid ein rechter Lübecker!«, sagte Deichmann. »Immer bigott, immer selbstgerecht, immer einen Schuldigen im Blick. Wir beide sind Konkurrenten, lasst uns offen reden. Ihr treibt Euch in meinem Revier herum und bietet den Huren Mittel an, die sie bisher von mir bezogen haben. Gute Qualität, guter Preis, das ließ Euch nicht ruhen. Und wenn Euch die anständigen Bürger auf die Schliche kommen, werden sie Euch teeren und federn.«
»Sie kommen mir nicht drauf«, knurrte Pfeiffer. »Euch kommen sie ja auch nicht darauf.«
»Weil ich ein Halunke bin. Weil ich die Farbe meiner Umgebung annehme. Weil mich die Mädchen mögen und weil ich nach einer Flasche noch weiß, wo oben und unten ist.«
»Dafür habe ich mein Handwerk erlernt.«
»Na, da werden sie vor Euch aber in die Knie gehen und Euch anbeten!«
»Ich sehe nicht ein, warum ich mich auf die erlaubten Mittel beschränken soll.«
»Weil Ihr ein anständiger Mann seid und die Ratsapotheke betreibt. Weil Ihr eine Respektsperson seid. Weil Ihr dem Bürgermeister näher steht als einem Gastwirt. Ihr könnt nicht zwischen den Welten hin- und herreisen. In meiner Welt habt Ihr nichts zu suchen. Wenn Wilhelmine erfährt, dass ihr Vater Leben tötet, was meint Ihr wohl, was Euch erwartet.«
»Die Höchststrafe«, murmelte Pfeiffer. »Ihre Mutter fängt auch schon an mit der Frömmelei. Ich dachte, mit den Protestanten wird sich die Frömmelei entspannen. Aber sie wird
Weitere Kostenlose Bücher