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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Klugmann
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Andererseits blockierte er auch die Geschicke des Hafens. Eins war nicht ohne das andere zu haben.
    »Der Kerl muss da weg«, forderte Schnabel.
    »Damit Anna fünf Minuten später ihre Männer heranpfeift und weiterbaut …?«
    Erstaunt blickten alle Apollonia an. Es war erstaunlich, mit wie viel eisiger Ablehnung man eine Handvoll Wörter überziehen konnte.
    »Ich präzisiere«, fuhr Schnabel fort. »Der Kerl ist akzeptiert, wenn wir ihn an einen neutralen Ort auslagern.« Er schlug ein Haus in den Vierteln der Armen vor, was von Apollonia Wendt mit dem Reizwort »Panik in engen Gassen! Bürger, überprüft Eure Vorräte an Löschwasser« abgeschossen wurde. Flexibel wich Schnabel nach Moisling vor den Toren der Stadt aus, wo die Juden lebten.
    »Der Gedanke hat Charme«, sagte der Bürgermeister zufrieden. Doch zwei Männer in der Runde setzten sich – zurückhaltend, aber hartnäckig – dermaßen für die Juden ein, dass Schnabel für bewiesen hielt: Sie hatten Geld von ihnen geliehen. Die geschmeidige Art der Juden, sich unentbehrlich zu machen, könnte ihnen den Hals retten – diesmal.
    Jemand schlug vor, den Schweden auf ein Schiff zu schaffen und Richtung Norden zu segeln. »An den Mast binden und ab dahin, wo er herkommt«, sagte Voigt. »Die Mannschaft stellen wir aus Häftlingen zusammen. Die werden froh sein, wieder an die frische Luft zu kommen.«
    »Er darf sich nicht zu weit von Annas Werft entfernen«, erinnerte Schnabel vorsichtig.
    Die Runde verfiel in dumpfes Brüten. Auch Appollonias Vorschlag, den Schweden im Rosländer-Haus zu internieren, fand keine Zustimmung. Man kannte Annas Nachbarn und mochte sie.
    Mit jeder Minute, die verging, bröckelte die Fassade stärker. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Erste aussprechen würde, was nach Lage der Dinge unvermeidbar war: Die Pest würde sich ausbreiten. Die Pest hielt sich nicht an Grundstücksgrenzen.
    »Das mit dem Schiff war eigentlich keine dumme Idee«, murmelte Apollonia. »Wir schaffen ihn auf ein Schiff und werfen Anker. Dann stecken wir Anna auch aufs Schiff oder jemand, den sie mag. Das wird sie nachdenklich machen.«
    Schnabel starrte Apollonia an. Das neue Liebesglück hatte keine Wirkung auf ihren Appetit gehabt. Sie stand immer noch gut im Futter und beanspruchte die Sitzfläche zweier schlanker Menschen. Apollonia bot man keinen Stuhl an, man lotste sie auf ein Sofa und sorgte dafür, dass sie dort allein sitzen konnte. Heute kam die Sitzordnung durcheinander, denn plötzlich saß Melchior Voigt neben ihr. Wäre der Anlass des Treffens nicht so ernst gewesen, hätte man lachen können: Die Füllige und der Spiddel . Ihr Weinhändler war auch kein Herkules, Apollonia zog schlanke Männer vor. Während ihrer ersten Ehe waren Apollonias Affären Stadtgespräch gewesen. Der Weinhändler musste noch nichts befürchten, die Ehe war zu neu, um unter Abnutzungserscheinungen zu leiden.
    Wieder war es Distelkamp, der dem Gespräch eine Wende zum Sinnvollen gab. »Wir müssen der Wahrheit ins Auge blicken. Die Wahrheit ist die Pest. Vergesst den dummen Streit um Annas Schiff. Betet, dass am Ende noch so viele Lübecker am Leben sein werden, dass nicht alle auf das Riesenschiff gepasst hätten.«
    »Ich will es schriftlich, dass sie aufhört«, beharrte Schnabel.
    Niemand widersprach, niemand unterbreitete einen Vorschlag, wie Anna Rosländer von der Forderung erfahren sollte.
    Man aß und trank, abwechselnd und durcheinander. Jemand ging, ein anderer kam, Apollonia blieb.
    Sie plauderte mit Voigt an ihrer Seite. Selbst im Sitzen musste er zu ihr aufblicken. Zuerst hatte ihn das eingeschüchtert, einige Gläser später fand er die Nachbarschaft des Fleischbergs beruhigend. Er fühlte sich beschützt, obwohl ein Rest Angst blieb. Der schmächtige Ratsherr stellte sich Dinge vor, die ungesagt bleiben mussten. Einerseits entzückten sie ihn, andererseits war ihm klar, dass sie ihn zerbrechen könnten. Nicht nur Apollonias Affären waren Stadtgespräch gewesen, auch pikante Einzelheiten dieser Affären. Stets war es darum gegangen, was Apollonia mit Männern zu tun imstande und willens war. Bei einigen Einzelheiten musste es sich einfach um haltlose Gerüchte handeln, jedenfalls hoffte Voigt das im Interesse der Männer.
    »Ich könnte zu ihr gehen«, sagte der Bürgermeister plötzlich. Mit so viel Entschlusskraft hatte niemand gerechnet, zweimal musste er bestätigen, dass es ihm mit dem Vorschlag ernst sei.
    »Ich sehe mich als

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