Die Adlon - Verschwoerung
abnehmen.»
Sie war nicht bereit, wieder gute Laune zu haben - noch nicht. Sie steckte sich eine Zigarette an und schnippte das Streichholz ins Gebüsch. «Wenn du eine neunzehnjährige Tochter hättest, würdest du wollen, dass sie in Havanna lebt?»
«Das käme darauf an, ob sie gutaussehende Freundinnen hätte oder nicht.»
Noreen verzog das Gesicht. «Genau solche Bemerkungen lassen mich zu der Überzeugung gelangen, dass sie auf Rhode Island besser aufgehoben wäre. Es gibt zu viel schlechten Einfluss in Havanna. Zu viel Sex. Zu viel billigen Alkohol.»
«Das ist der Grund, warum ich hier lebe.»
«Und sie ist mit den falschen Leuten unterwegs», fuhr Noreen fort, ohne auf meinen Einwurf einzugehen. «Tatsächlich ist das einer der Gründe, warum ich dich heute Abend hergebeten habe.»
«Und ich dachte mir schon, naiv, wie ich bin, dass du mich einzig und allein um der alten Zeiten willen eingeladen hast. Ich bin ein bisschen enttäuscht, Noreen.»
«So habe ich das nicht gemeint.»
«Nein?» Ich beließ es dabei. Ich schnüffelte an meinem Drink und genoss das brennende Aroma des Bourbon. Ein teuflisches Zeug. «Lass dir von mir gesagt sein, Engel, es gibt eine Menge schlimmere Orte zum Leben als Kuba. Ich muss es wissen. Ich habe versucht, an diesen Orten zu leben. Berlin nach dem Krieg war kein Schlafsaal einer Eliteuni, genauso wenig wie Wien. Insbesondere für Mädchen nicht. Die russischen Soldaten bringen Zuhälter und Gigolos zum Erröten. Und das ist nicht antikommunistisch gemeint, keine rechte Propaganda, Süße, sondern die Wahrheit. Und wo wir gerade bei diesem delikaten Thema sind - wie viel hast du ihr über mich erzählt?»
«Nicht viel. Bis vor ein paar Minuten wusste ich doch gar nicht, was es zu erzählen gab. Du hast heute Morgen, an die Buchhändlerin in der La Moderna Poesia gewandt, nur gesagt, dass dein Name Carlos Hausner wäre. Warum ausgerechnet Carlos? Carlos ist ein Name für einen fetten mexikanischen Bauern in einem John-Wayne-Film. Nein, nein, ich sehe dich nicht als einen Carlos, überhaupt nicht. Ich schätze, das ist der Grund, warum ich deinen richtigen Namen benutzt habe, Bernie ... na ja, außerdem ist er mir einfach so rausgerutscht, als ich ihr von Berlin 1934 erzählt habe.»
«Das ist wirklich dumm angesichts der Mühe, die ich hatte, mir einen neuen Namen zuzulegen. Um ganz offen zu sein, wenn die Behörden meinen richtigen Namen erfahren, Noreen, dann werde ich möglicherweise nach Deutschland abgeschoben, was höchst unangenehm für mich werden könnte, gelinde ausgedrückt. Wie ich bereits sagte. Es gibt Leute - Russen hauptsächlich - die mich am liebsten mit einem Strick um den Hals sehen würden.»
Sie betrachtete mich mit einem misstrauischen Blick. «Vielleicht hast du es ja verdient.»
«Vielleicht.» Ich stellte meinen Drink auf den Glastisch und dachte eine Minute über ihre Bemerkung nach. «Andererseits kriegen die Leute in der Regel nur in den Büchern das, was sie verdient haben. Und wenn du wirklich meinst, ich hätte es verdient, dann sollte ich mich vielleicht jetzt besser auf den Weg machen.»
Ich erhob mich, ging ins Haus und durch die Vordertür wieder hinaus. Sie stand am Geländer oberhalb der Treppe, die zu meinem Wagen führte.
«Es tut mir leid», sagte sie. «Ich glaube nicht, dass du es verdient hast, überhaupt nicht, ja? Ich wollte dich nur ärgern. Bitte komm zurück.»
Ich stand da und blickte betrübt zu ihr hinauf. Ich war wütend und verletzt; es war mir egal, ob sie mir das ansah oder nicht. Nicht nur wegen ihrer Bemerkung, dass ich es vielleicht verdient hatte, aufgeknüpft zu werden. Ich war wütend auf sie und auf mich selbst, weil ich ihr nicht deutlicher klargemacht hatte, dass Bernie Gunther nicht mehr existierte. Dass Carlos Hausner seinen Platz eingenommen hatte.
«Ich war so aufgeregt, dich wiederzusehen, nach all den Jahren ...» Ihre Stimme nahm einen Tonfall an wie ein Kaschmirpullover, der an einem Nagel hängenbleibt. «Es tut mir leid, dass ich dein Geheimnis ausgeplaudert habe. Ich rede mit Dinah, wenn sie nach Hause kommt. Ich sage ihr, dass das, was ich ihr erzählt habe, vertraulich bleiben muss, okay? Ich fürchte, ich habe nicht über die möglichen Konsequenzen nachgedacht, als ich ihr von dir erzählt habe. Aber verstehst du, sie und ich, wir haben uns sehr nah gestanden, seit Nick gestorben ist, ihr Vater. Wir erzählen uns immer alles.»
Die meisten Frauen haben so einen Schalter, mit dem sie
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