Die Adlon - Verschwoerung
viele Freunde in Havanna und freute mich darauf, ein paar Erinnerungen auszutauschen mit jemandem, in dessen Gesellschaft ich mich einmal sehr wohl gefühlt hatte - mein echtes Ich, im Gegensatz zu der Person, als die ich mich heutzutage ausgab. Es war vier Jahre her, dass ich zum letzten Mal unter meinem richtigen Namen aufgetreten war. Ich fragte mich, was ein Mann wie Robert Freeman sagen würde, wenn ich ihm von Bernhard Gunthers Leben erzählte. Wahrscheinlich hätte er sich an seiner Zigarre verschluckt. Unsere gegenwärtige Besprechung endete freundlich. Er gab mir zu verstehen, dass wir uns erneut treffen und darüber reden sollten, sobald er die beiden Konkurrenten gekauft hätte - womit ihm alle Rechte am Vertrieb der Marken Montecristo und Ramon Allones zufallen würden.
«Wissen Sie was, Carlos?», sagte er, als wir nach draußen gingen. «Sie sind der erste Deutsche, mit dem ich gesprochen habe, seit der Krieg begonnen hatte.»
«Argentinische Deutsche», verbesserte ich ihn.
«Ja, natürlich. Nicht, dass ich etwas gegen die Deutschen hätte, verstehen Sie mich nicht falsch. Wir stehen heute alle auf der gleichen Seite, nicht wahr? Gegen die Kommunisten und all das. Wissen Sie, manchmal frage ich mich, was ich überhaupt von alledem halten soll. Was zwischen unseren beiden Ländern passiert ist. Der Krieg, meine ich. Die Nazis und Hitler. Was denken Sie darüber, Carlos?»
«Ich versuche nicht darüber nachzudenken», erwiderte ich. «Aber wenn ich es dennoch tue, dann denke ich dies: Für eine kurze Zeit bestand die deutsche Sprache aus einer Serie bombastischer Worte, geformt von sehr kleinen deutschen Geistern.»
Freeman kicherte und paffte an seiner Zigarre. «Genau», sagte er. «Sehr treffend.»
«Es ist offensichtlich das Schicksal einer jeden Nation, sich als die von Gott auserwählte zu betrachten», fügte ich hinzu. «Aber es gibt nur verdammt wenig Nationen, die dumm genug sind, zu versuchen, so eine Idee in die Praxis umzusetzen.»
In der Verkaufshalle kamen wir an dem gerahmten Foto des britischen Premierministers vorbei. Er hielt eine Zigarre in der Hand. Ich nickte zustimmend. «Ich sage Ihnen noch was. Hitler hat nicht getrunken und nicht geraucht. Er war kerngesund - bis zu dem Tag, an dem er sich erschossen hat.»
«Genau!», wiederholte Freeman. «Wie recht Sie haben.»
Kapitel 4
Die Finca La Vigia lag ungefähr zwölf Kilometer südöstlich von Havanna in der Gemeinde San Francisco de Paula - ein einstöckiges Haus im spanischen Kolonialstil auf einem acht Hektar großen Stück Land mit einer phantastischen Aussicht auf die Bucht im Norden. Ich parkte den Wagen gleich neben einem limonenfarbenen Pontiac Chieftain Cabriolet - das Modell mit dem Häuptlingskopf auf der Motorhaube, der leuchtet, wenn die Scheinwerfer eingeschaltet wurden. Das weiß angestrichene Haus und die umgebende Landschaft hatten etwas vage Afrikanisches, und als ich ausstieg und mein Blick über all die Mangobäume und die riesigen Jacarandas streifte, fühlte ich mich wie vor dem Besuch eines Bezirkskommissars in Kenia.
Ein Eindruck, der durch die Einrichtung noch verstärkt wurde. Das Haus war ein Museum für Hemingways Liebe zur Jagd. In jedem der zahlreichen luftigen Räume - einschließlich des großen Schlafzimmers, nicht jedoch des Bads - waren Trophäen ausgestellt. An den Wänden hingen die präparierten Köpfe von Kudu-Antilopen, Wasserbüffeln und Springböcken. Alles, was Hörner hatte, genaugenommen. Ich wäre nicht überrascht gewesen, hätte ich in diesem Haus auch den Kopf des letzten Einhorns entdeckt. Oder die Köpfe von Hemingways Exfrauen. Neben diesen Trophäen gab es Unmengen Bücher, selbst im Badezimmer, und im Gegensatz zu denen in meiner eigenen Wohnung sahen die meisten dieser Bücher hier aus, als wären sie gelesen. Die Fliesenböden waren zum großen Teil blank, was sicher unangenehm war unter den Pfoten der vielen Katzen, die den Eindruck erweckten, als gehörte ihnen das Haus. Es gab nur sehr wenige Bilder an den weißgekalkten Wänden, ein paar Stierkampfplakate, das war alles. Das Mobiliar war weniger nach Kriterien der Eleganz als vielmehr nach denen des Komforts ausgewählt worden. Sofa und Sessel im Wohnzimmer waren mit einem geblümten Stoff bedeckt, eine überraschend feminine Note in all dieser maskulinen Todessehnsucht. In der genauen Mitte des Wohnzimmers stand - ähnlich dem vierundzwanzigkarätigen, im Boden der Empfangshalle des Kapitols von Havanna
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