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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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auf verletzlich machen können. Sie können ihn umlegen, wann immer sie wollen, und er wirkt auf Männer wie Katzenminze auf Kater. Noreen drehte jetzt an diesem Schalter. Zuerst der Klang ihrer Stimme, dann ein schwerer, unsicherer Seufzer. Es funktionierte wie geplant, und sie war erst bei Stufe drei oder vier. Sie hatte noch nicht alle Mittel ausgeschöpft, um mich davon zu überzeugen, dass sie zum schwächeren Geschlecht gehörte. Einen Moment später sanken ihre Schultern herab, und sie wandte sich zur Seite. «Bitte», sagte sie so leise, dass ich es eben noch hören konnte. «Bitte, fahr nicht.» Stufe fünf.
    Ich stand auf der Treppe und starrte auf meine Zigarre und dann den gewundenen Weg hinunter, der nach San Francisco de Paula hineinführte. Finca La Vigia. Vigia hieß «Schöne Aussicht», und der Name war mehr als treffend, weil es links vom Hauptgebäude einen Turm gab, wo man sich im oberen Stockwerk hinsetzen und ein Buch schreiben und auf die Welt da draußen hinuntersehen und sich für eine Art Gott halten konnte. Das war wohl der Grund, warum Menschen in erster Linie Schriftsteller wurden.
    Eine Katze kam herbei und streifte an meinen Hosenbeinen entlang, als wollte auch sie mich zum Bleiben überreden. Aber vielleicht wollte sie auch nur ihre Massen von ausgefallenen Haaren an meiner besten Hose abstreifen. Eine weitere Katze saß wie eine aufgerichtete Bettfeder neben meinem Wagen, bereit, meine Abreise zu stören, falls ihre Kollegin es allein nicht schaffte. Finca La Vigia. Eine innere Stimme riet mir, aufzupassen und zu verschwinden, so schnell ich konnte. Dass ich, sollte ich bleiben, wie ein Charakter in einem ihrer dummen Romane enden würde, eine Marionette ohne eigenen Willen. Dass einer der beiden - entweder Noreen oder Hemingway - mich dazu bringen würde, etwas zu tun, das ich nicht tun wollte.
    «Also gut.» Meine Stimme klang wie ein Tier in der Dunkelheit. Oder vielleicht ein Orisha aus der Welt der Santeria.
    Ich warf die Zigarre weg und kehrte ins Haus zurück. Noreen kam mir auf halbem Weg entgegen, was sehr großzügig von ihr war, und wir umarmten uns liebevoll. Ihr Körper fühlte sich immer noch gut an in meinen Armen und erinnerte mich an all die Dinge, an die er mich vermutlich erinnern sollte. Stufe sechs. Sie wusste, wie sie mich manipulieren konnte, so viel stand fest. Sie lehnte den Kopf an meine Schulter, doch mit abgewandtem Gesicht, und ließ mich für eine Weile ihre Schönheit inhalieren. Wir küssten uns nicht. Das war noch nicht erforderlich. Nicht, solange wir auf Stufe sechs blieben. Nicht, solange ihr Gesicht abgewandt war. Nach einer Minute löste sie sich aus meiner Umarmung und setzte sich wieder.
    «Du hast gesagt, Dinah wäre mit den falschen Leuten unterwegs», begann ich. «Und dass du mich deshalb hierher eingeladen hast.»
    «Es tut mir leid, dass ich das so missverständlich formuliert habe. Das sieht mir überhaupt nicht ähnlich. Schließlich sollte ich gut sein mit Worten. Aber ich brauche deine Hilfe. Mit Dinah.»
    «Es ist lange her, dass ich wusste, wie man mit neunzehnjährigen jungen Frauen umgeht, Noreen. Und selbst damals war das, was ich wusste, wahrscheinlich vollkommen falsch. Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll. Ich könnte sie übers Knie legen, das ist alles.»
    «Ich frage mich ernsthaft, ob es helfen würde», sagte sie.
    «Ich denke nicht, dass es viel ausmachen würde. Nicht zu vergessen die Gefahr, dass es mir vielleicht Spaß machen könnte. Ein weiterer Grund meiner Meinung nach, sie nach Rhode Island zu verfrachten. Aber ich stimme dir zu - der Barracuda Club ist kein Lokal für eine Neunzehnjährige. Auch wenn es in Havanna eine Reihe noch viel schlimmerer Läden gibt.»
    «Oh, Dinah kennt sie alle, glaub mir. Das Shanghai-Theater, das Kabarett Kursaal, das Hotel Chic. Und das sind bloß die Streichholzbriefchen, die ich in ihrem Zimmer gefunden habe. Es könnte in Wirklichkeit noch schlimmer sein.»
    Ich schüttelte den Kopf. «Nein. Schlimmer geht es in der Tat nicht mehr. Nicht einmal in Havanna.» Ich nahm mein Glas vom Tisch und kippte den Inhalt in meinen Mund, wo er sicher aufgehoben war. «Also gut, sie ist wild», sagte ich. «Wenn die Filme nicht lügen, trifft das heutzutage auf alle Jugendlichen zu. Wenigstens schlagen sie keine Juden mehr tot, und ich sehe immer noch nicht, was ich dagegen tun soll.»
    Noreen füllte mein Glas nach. «Vielleicht fällt uns ja etwas ein. Zusammen, meine ich. Wie in den

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